Wortdadaismus
In Fritschs Dankesansprache für den mit 10.000 Euro dotierten 3sat-Preis mischten sich auch traurige Töne ob jenes „Nachfolgers, der da kommt, den großen Frank Castorf abzulösen“; der habe der Volksbühne eine „schlechte Akustik“ bescheinigt, aber er habe Unrecht: es sei eine „vertrackte Akustik“ und diese gehöre mit zu den Besonderheiten des Hauses und erfordere für das „schönste Theater der Welt“ auch eine „vertrackte Ästhetik“. Diese „vertrackte Ästhetik“ zeichnet Herbert Fritschs jüngste, für die Auswahl des Theatertreffens prämierte Arbeit ebenfalls aus.
Wie schon in seinem Stück Murmel Murmel lässt der Neodadaist Fritsch mit einem Minimum an Worten eine überaus turbulente Handlung entstehen. Basierend auf Texten des Wiener Wörterdadaisten Konrad Bayer, für den Sprache in erster Linie Klang war und die Bedeutung der Worte nur Neben- und Nachhall, arrangiert Frisch auf der sich drehenden, in grellen Farbe beleuchteten, und von nur mit einer roten Showtreppe und einem übergroßen gelben Trichter ausgestatteten Bühne ein dadaistisches Spektakel. Wie das mit den Wortspielen, die sich der Zuschauer erst einhören muss, funktioniert, erklärt bereits der Untertitel des Stücks: „eineliebeserklärhundsehrernsthaftstrafeähnliche auseinandersetzungmittendurchkonradbayer“.
Mit drei Kolleg(inn)en – zwei mann und ein frau als „dasderdiemannorchester“ (Michael Rowalska, Taitko Saito, Fabrizio Tentoni) – leitet Ingo Günther an Keybords und Elektronikschlagwerk den durchmusikalisierten, zweistündigen Abend, dirigiert den sich zwischen Kinodramatik barocken Formen bewegenden Soundteppich und begleitet Operngesänge mit Koloraturen für Soprane, Bariton und Counter mit orchestralen, pianistischen und Elektronikklängen.
Am Anfang des Abend sind die Darsteller gelackte Kunstfiguren mit Latexanzügen und –Kleidern (Kostüme: Viktoria Behr), glänzend auch in den Gesichtern und Haaren, die unbeweglich, wie von einem Kind unterschiedlich und zumeist absurd auf der Treppe angeordnet, agieren. Aber jedes Mal, wenn die Treppe auf der zirkulierenden Scheibe nach hinten gedreht ist, sind einige Figuren verschwunden oder anders gruppiert; das Bühnenbild des Regisseurs kann mehr, als man zunächst denken mag, auch das zweimal als grüne Senkrechte herabgelassene Kletterseil hat noch Überraschungen parat.
Dann erobern sich die Sieben drei Mikrofone an Stativen, mit sie denen im weiteren Verlauf allerlei groteske und auch obszöne Spiele, inklusive Verschlucken und wieder Ausspeien des Mikrofonkopfes vollführen. Die sich zu einem großartigen Ensemble zusammenfügenden und doch jede/r in ihrer/seiner Individualität faszinierenden, unisex uniformierten Performer Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Eng, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke und Hubert Wild exerzieren Clownerien für Erwachsene auf Bewegungsbasis tückischer Objekte der Commedia del Arte mit Dada-Wortspielereien. Etwa die tragische Nonsens-Geschichte vom versiebenfachten Karl neben Karl auf Karl hinter Karl nebst weiteren Karls. Und anschließend das „a“ und „o“ von rhythmischer Körpersprache im Reihenkünstlertum. In Latex, in Bademänteln und mit Boxhandschuhen, insbesondere aber als Beatniks mit Pilsköpfen, bereiten der die mann-DarstellerInnen ein großes Theatervergnügen und lösen beim Publikum Begeisterungsstürme aus.