Fußball - Gottesdienst oder Geschäft?
Man muss kein Fußball-Freak sein, nicht einmal Fußball mögen, um in Patrick Marbers jüngstem Drei-Personen-Stück eine treffende Skizze heutiger Gepflogenheiten zu entdecken. Wie weit klaffen nicht in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft und Geschäftswelt Ideal und Realität auseinander. Der alternde einstige Profikicker und erfolglose Trainer Yates (romantisch und schlitzohrig: Frank Damerius) ist nun beim kleinen Regionalverein „Rote Löwen" Zeugwart, weil nur dieser „heilige Gestank aus Schweiß, Schnaps und Kippen" ihn am Leben hält. „Da draußen macht jeder sein Ding - in der Kabine herrscht Treue", lässt er den Jungen (Frederick Bott - ein veritabler Manuel Neuer-Typ) pathetisch wissen und als der bei der Massage aufjault: „Ein Löwenherz kennt keinen Schmerz!"
Der Junge träumt von der großen Karriere auf dem Platz. Heute wird er zum ersten Mal zeigen, was er drauf hat. Und tatsächlich: plötzlich ist er der Star, den man schnellstens unter Vertrag nehmen muss, um ihn ebenso schnell verkaufen zu können. Dann wäre der Verein saniert - und Trainer Kidd (schmierig, smart, ehrgeizig, brutal: Marco Steeger) auch gleich eine Etage höher im Geschäft.
Sehr bald erfährt der Junge: „Nach oben schafft man's nicht allein". Der Zeugwart bietet sich ihm als Berater an - nicht nur für lau, sondern sogar, indem er ihm wie nebenbei mit der großzügigen Geste eines treusorgenden Vaters ein paar Scheinchen zusteckt und ihm neue Schuhe besorgt. Der Trainer gaukelt ihm den schnellen Aufstieg vor, wenn er hier unterschreibt und man ihn dann gleich gut in die nächst höhere Klasse verkaufen kann.
Zu spät erkennt der Junge, dass Spieler als „Vermögenswerte" gehandelt werden, und jeder im Vorstand, samt Trainer und Zeugwart „ein Scheibchen" von dem Deal abbekommt. Er erkennt: „Ihr habt mich allesamt total manipuliert!" Aber schon beim Probetraining im größeren Verein fällt der Junge auf die Nase: das lädierte Knie hat er verschwiegen, wird geächtet als „ein als Fußballer verkleideter Krüppel". Ende der Fahnenstange. Vorbei mit der Unschuld und der Sehnsucht nach“"etwas Heiligem". Am Ende sind alle drei Herren vom Vorstand entlassen und liegen sich in den Haaren.
Das Staatstheater Nürnberg, das jetzt die Deutsche Erstaufführung des 2015 in London bejubelten englischen Stücks herausbrachte, wartet mit wunderbar authentischem Ambiente von Günter Hellweg auf. Die grünen Kabinen und braunen Holzbänke sind in die Jahre gekommen. Frisch gebügelte Trikots der "Roten Löwen" hängen auf Kleiderbügeln. Es dampft aus der Dusche. Die Schuhe trocknen nach dem Spiel auf der uralten Heizung. In der flotten Regie von Klaus Kusenberg skizzieren die drei Schauspieler die ambivalenten Fußballercharaktere aus drei Generationen unangestrengt realistisch.
Das Premierenpublikum applaudierte begeistert.