Einer muss der Loser sein
Eigentlich ist das ein Fall für den - nicht vorhandenen - „Seniorenantidiskriminierungs-Beauftragten“, weil das doch wirklich nicht fair ist, wie Gaetano Donizetti und sein Librettist Domenico Ruffini mit dem alternden Don Pasquale umgehen. Denn der fühlt sich noch jung genug, um den Kopfhörer aufzusetzen und durch die Kulissen zu tänzeln. Norina, als keusche Sofronia präsentiert, wird zum Objekt seiner Begierde. Bekanntlich spinnt Therapeut Doktor Malatesta entgegen aller Standesregeln eine windige Intrige, damit am Ende Ernesto seine Norina kriegt und Don Pasquale um einiges Geld geprellt wird.
Regisseurin Andrea Schwalbach hat am Theater Heidelberg eine bunte, optisch oft schrille Inszenierung vorgelegt, die gleichwohl in die Tiefe der Figurenzeichnung zielt. Sie sieht Don Pasquale, den Wilfried Staber prächtig in Stimme und Spiel verkörpert, hier als durchaus sensible Natur, der zwar tölpelhafte Momente erleidet, weil er seinen Gegenspielern nicht gewachsen ist, aber sehr wohl noch ein Eigenleben entwickeln möchte. Er ist der Loser, aber man fühlt nicht Schadenfreude, sondern Mitleid mit ihm.
Zweiter Star des Abends: Die junge Sopranistin Yasmin Özkan, deren Spiel alle Nuancen dieser Figur auslebt. Vom punkigen Mädel in Hot-Pants bis zur pseudo-braven Maid im roten Kleid und schließlich der liebreizenden Lady im Hosenanzug, die endlich ihren Ernesto in Armen hält, kostet sie mit viel Koketterie die Facetten dieser Rolle aus und hält die Fäden in der Hand. Glänzend in Form präsentiert sie ihre Stimme, mit feinem Vibrato-Schimmer ausgestattet, mit zauberhaften Koloraturen unterfüttert und schließlich zu Spitzentönen geführt, die sie mit Dynamit abfeuert, ohne dass diese an Klanggestalt verlören. Von dieser Begabung wird man noch viel hören, die Prognose sei gewagt.
Nicht ganz so stark wie gewohnt wirkte Namwon Huh, dessen lyrisch wattierter Tenor gelegentlich etwas angestrengt agierte. Ip?a Ramanovi? lieferte eine gefällige Bariton-Partie als Dr. Malatesta ab, und Young-O Na verkörperte einen skurrilen Notar.
Insgesamt ein Abend, der zwar die Opera-buffa-Klischees nicht völlig überwinden konnte, dennoch aber einen nachhaltigen Eindruck hinterließ, gerade auch weil Davide Perniceni am Pult des Philharmonischen Orchesters Heidelberg die Partitur differenziert und schwungvoll auslebte.