Mit Niveau und ein bisschen Patina
„Was Kleists Drama von 1811 zur Komödie macht, ist vor allem die Dreistigkeit, mit der hier vom Patriarchat Macht ausgeübt, Positionen gesichert und Verhältnisse zementiert werden“, schreibt das Deutsche Theater zu Kleists Jahrhundertdrama Der zerbrochne Krug.
Heute stehen wir selbstredend ganz woanders! Sind wir doch in der modernen Demokratie angekommen! Wir sprechen nur unter Gleichen, oder? Macht, was ist das? „Flache Hierarchien“ prägen das stets professionelle und respektvolle Miteinander in unserer so wunderbar geordneten freien Wirtschaft.
Und wenn ein überbezahlter Winkeladvokat den letzten Bauernfängertrick anwendet, um beim gutwilligen Bürger den letzten Cent aus der Tasche zu leiern, steht die aufrechte Bürgergemeinschaft selbstredend auf und schreibt mindestens ein sozialkritisches Theaterstück über diesen Idioten.
Anders ist es nicht zu erklären, dass das Berliner Theaterpublikum bei jedem von Kleists hintergründig-pointierten Gags in Bezug auf den hintertriebenen Richter Adam anfängt zu kichern und offen zu lachen.
Kleine ironische Pointierung von theater:pur, denn wenn Der zerbrochne Krug nicht heute noch enorme gesellschaftliche Relevanz hätte, würden Kleists Worte sicherlich nicht derartig wirken.
Ja, das Deutsche Theater unter Regie von Anne Lenk schafft bei dieser wirklich gelungenen Inszenierung den Balanceakt zwischen modernem schlichtem Zugriff auf den Kleist-Text, witzig-klarer darstellerischer Leistung (perfekte Rollenbesetzung: Adam, Dorfrichter: Ulrich Matthes; Licht, Schreiber: Jeremy Mockridge; Walter, Gerichtsrätin: Lorena Handschin; Frau Marthe Rull: Franziska Machens; Eve Rull: Lisa Hradina; Ruprecht Tümpel: Tamer Tahan; Frau Brigitte: Julia Windischbauer) und stilsicherem, wunderbar pittoresk-romantischen Bühnenbild (Judith Oswald ).
Insgesamt: Eine angenehm-überzeugende Inszenierung mit Niveau. Wer mehr sehen will, sollte möglichst bald ins Deutsche Theater pilgern.