Teufelei
An Schwarz- und Schauerromantik lässt sich der Koblenzer Freischütz schwerlich überbieten. Die ganze Oper gerät zum Teufelszeug, bei dem Beelzebub zwar am Werk ist. Allererst aber ist der Mensch des Menschen Satansbraten. Das gemeine Volk weidet sich an Maxens Missgeschick beim Sternschießen, die Brautjungfern züchtigen die um den Geliebten bangende Agathe boshaft vergnügt mit offenbar ausgesucht dornigen Rosen. Final bestätigen die Hauptakteure des Landesherrn vertragliche Zusage, der Jägerbursche werde seine Agathe nach überstandenem Probejahr doch noch heimführen dürfen, durch ihre Unterschrift. Aber die Urkunde ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Wenn der Vorhang sich senkt, liegt sie in Fetzen. Wahrlich, diese Gesellschaft der Übelwollenden verdient, dass sie zum Teufel geht. Ohnehin besteht sie längst aus Untoten, Gespenstern, wie sie die Karlsbader Beschlüsse von 1819 mit ihrer Restauration von Obrigkeitsstaat und Untertanengeist erfolgreich hervorbrachten. Webers 1821 uraufgeführte Oper ist – bei aller Genialität – Produkt ihrer Zeit.
Drastisch schildert Regisseur Jan Eßinger, wie überständige Konventionen und Hierarchien den Jägerburschen und die Förstertochter zu einen Horrortrip nötigen. Der Schlussenthusiasmus des Werks trägt für Eßinger viel zu dick auf, um für bare Münze genommen zu werden. Dennoch kommt die Produktion weder schulmeisterlich daher, noch ersäuft sie im Trübsinn. Vielmehr beweist Eßinger ausgesprochene Freude am Spektakel, funkenstiebende Flintenschüsse eingeschlossen. In die geradezu choreografierten Massenszenen mit ihren effektvollen Tableaus mischt sich rabenschwarzer Humor, der das boshafte Kollektiv kräftig am Schlafittchen packt. Marc Weeger siedelt das Grauen in einer Caspar-David-Friedrich-Landschaft an, in der zwei kahle Baumriesen den Ausblick auf eine mit Tannen bestandene Hügellandschaft eröffnen. Silke Willretts Kostüme orientieren sich an der Entstehungszeit des Werks. Julia Kaindl leuchtet die Bühne Unheil verheißend aus.
Auch musikalisch gewinnt der Abend. Der neue Koblenzer Orchesterchef Marcus Merkel scheint es bisweilen mit denkbar forschen Tempi auf eine Parforcetour anzulegen. Aki Schmitt und Karsten Huschke haben den Chor des Hauses darauf vorbereitet, den vokalen Höllenritt voller Verve und Transparenz zu meistern. Äußerst beherzt nimmt das Kollektiv zudem die starke schauspielerische Herausforderung an. Im couragiert dem temperamentgeladenen Dirigat folgenden Staatsorchester Rheinische Philharmonie sorgen die blitzsauberen Hörner und kammermusikalisch aufspielenden Celli für atmosphärischen Zauber. Tobias Haaks ist Max. Baritonal grundiert, beglaubigt Haaks die Zerrissenheit des jungen Jägersmanns vom Scheitel bis zur Sohle. Die Verzweiflungsausbrüche greifen mächtig in den Raum hinein. Intensiv auch gestaltet Haaks die seiner Figur vergönnten lyrischen Momente. Für Agathe findet Réka Kristóf manch berührenden Ton. Nico Wouterse schattiert seinen Kaspar in mannigfachen düsteren Nuancen. Gewiss, ein Bösewicht, doch weit eher noch ein Getriebener. Oliver Weidinger gibt einen versierten Kuno. Mit Stentorstimme verkörpert Christoph Plessers den Fürsten Ottokar. Jongmin Lim wirft sich als Eremit in vokal gebieterische Positur. Theresa Dittmar ist Ännchen.
Auf der Bühne wird außergewöhnlich gut gesprochen. Die Dialoge fungieren daher nicht - wie meist – als quietschende Scharniere zwischen den Gesangsnummern, sondern erhalten Eigengewicht. Regisseur Eßinger und Sprechcoach Doro Volland haben mit den Solistinnen und Solisten exemplarische Arbeit geleistet. Jubel im ausverkauften Haus.