Aus Fantasy wird Reality
Wer dachte, L. Ron Hubbard sei der einzige Autor auf Gottes Erdboden, aus dessen Roman eine Religion entsprungen sei, nämlich „Scientology“ (oder auch „Sekte“), der irrt: Am Berliner Theater unterm Dach (TuD) hat der Künstlerische Leiter Thorsten Schlenger beziehungsweise Regisseur Fabian Rosonsky zum Saisonauftakt die Anastasia-Bewegung in den Vorgarten geholt.
Outdoor erfahren die Besucher*innen, was sich Autor Wladimir Megres da zusammengebraut hat aus Naturverbundenheit, altbackener Rollenaufteilung zwischen Männern und Frauen, Pflanzensamen und kruden Glückskeks-Sprüchen.
Deutschlandweit gibt es Anhänger*innen der Anastasia-Bewegung, die den ländlichen Raum besiedeln. Es wird auf fließend Wasser verzichtet und die moderne Medizin verteufelt. Das TuD-Team kitzelt aus diesem Stoff die idealistischen Elemente, die für viele Anhänger*innen offenbar attraktiv sind, genauso heraus wie die verschwörungstheoretischen, reaktionären und rückständigen.
Christina Berger, Maj-Britt Klenke, Jannik Mioducki wandeln feengleich weiß gewandet durchs Gelände - die Theatergruppe „Polyformers“ schaut hinter die Fassade der seltsamen Figur „Anastasia“. Ihre Weisheiten werden ins Ironische gedreht und wenn tradierte Rollenklischees aufgespießt werden, ist es durchaus auch witzig.
Offenbar hat Autor Megres mit seiner Fantasy-Reihe einen Nerv getroffen. Anders ist es nicht zu erklären, dass Menschen ihr Leben doch recht plattem Gedankengut unterordnen.
Der Anastasia-Bewegung werden darüber hinaus Verbindungen in die Neonazi- und Reichsbürger*innenszene nachgesagt.
Insgesamt? Ein gelungener Auftakt des TuD mit einem aktuellen, gesellschaftlichen Thema.