Ricardo Fernando: Von Hagen nach Augsburg
Mit minutenlangen stehenden Ovationen endet in Hagen jede Vorstellung von Satisfaction. Es ist der letzte Ballettabend von Ricardo Fernando, der im Sommer nach Augsburg wechselt. 14 Jahre lang hat der sympathische Brasilianer - erklärter Publikumsliebling in der Revierstadt - die Qualität seiner Kompanie, sein Repertoire und seine choreografische Handschrift beharrlich und konsequent weiter entwickelt. Unterhaltsam, ehrlich und anspruchsvoll war das Programm. Klassiker wie Giselle, Dornröschen und Der Nußknacker wagte er ebenso wie die großen Neoklassiker Der Feuervogel oder Le Sacre du Printemps, Romeo und Julia oder Les Noces. Südamerikanisches Feuer versprühten TangoMania und Brazil. Rock und Pop rissen nicht nur die vielen jungen Zuschauer mit. Gastchoreografen demonstrierten die Bandbreite zeitgenössischen Tanzes - und das 14-köpfige internationale Ensemble verblüffte mit Ausstrahlung, Leidenschaft und Vielseitigkeit.
Dabei saß dem balletthagen die Drohung der Spartenschließung seit Jahren im Nacken. Für sein idealistisches Engagement erhielt Ricardo Fernando 2015 den Anerkennungspreis des Deutschen Tanzpreises. Das Handtuch warf er erst, als die Stadt Hagen im vorigen Jahr vom Theater eine neuerliche drastische Etatkürzung verlangte und Intendant Norbert Hilchenbach seinen Vertrag daraufhin nicht über 2017 hinaus verlängern wollte. Fernando gab mit seiner Kündigung ein deutliches Signal und wagte dafür sogar den Sprung ins Ungewisse ohne rettendes Netz. Das später folgende Engagement nach Augsburg, wo im kommenden Sommer ebenfalls ein Intendantenwechsel ansteht, folgte wie die verdiente Belohnung.
Nicht zufällig gab Ricardo Fernando seinem letzten Programm den versöhnlichen Titel Satisfaction. Denn er ist mit dem Erreichten und Gebotenen zufrieden - und zu Recht stolz auf die begeisterte Publikumsresonanz und die einfallsreiche, großzügige Unterstützung der mehr als 250 Hagener "Ballettfreunde".
In Augsburg folgt der 56-Jährige dem ehemaligen Solisten des Stuttgarter Balletts Robert Conn, der hier ebenfalls zeitgenössisches Ballett mit gemischten Programmen und Handlungsballetten bot. Allerdings arbeitete die 16-köpfige Truppe wie das gesamte Theaterensemble in dieser Saison unter extrem schwierigen Verhältnissen, bedingt durch die plötzliche Schließung des Theaters aus Sicherheitsgründen.
Fernando ist heilfroh, dass ihm die derzeitige Improvisation erspart geblieben ist. Wenn er in Augsburg antritt, wird die bislang leer stehende alte Fabrikhalle im Martini-Park als neues Multifunktions-Theater umgebaut sein. Die kleine "brechtbühne" steht weiterhin zur Verfügung, bis ein kleiner Raum in den Gaswerken zur Bespielung hergerichtet sein wird.
Mit Erleichterung und Freude sieht Ricardo Fernando der Arbeit mit dem neuem Team entgegen. Statt 14 Tänzerpositionen in Hagen wird er in Augsburg 16 haben. Vier Tänzer bringt er aus Hagen mit. Vier Mitglieder der jetzigen Augsburger Truppe bleiben. Auch der Tänzer und Hauschoreograf Riccardo De Negris behält seine beiden Funktionen.
Die größte Veränderung sieht Ricardo Fernando darin, dass nach dem Manager und Ballettmeister Conn mit ihm ein choreografierender Ballettchef nach Augsburg kommt. Ballettmanager Armin Frauenschuh bleibt und wird auch Stellvertreter des Direktors sein - ebenso wie Fernandos Ehefrau Carla Silva, die erfahrene Ballettmeisterin, die sich mit Frauenschuh auch in Augsburg das Balletttraining teilen wird.
(Foto: Stefan Kühle)