Drei Fragen an... Gerhardt Haag
Gerhardt Haag, Jahrgang 1949; zunächst Ausbildung und Arbeit als Kaufmann; 1970 bis 1973 Ausbildung zum Schauspieler an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst In Westberlin. Danach vier Jahre Stadttheater (ein Jahr Gießen, drei Jahre Mainz). Ende der Theaterlaufbahn. Über theaterpädagogische Arbeit wieder Zugang zum Theater gefunden. 1981 das Freie Werkstatt Theater in Köln mitgegründet. Unter seiner Leitung entstanden zwei aufsehenerregende internationale Jugendtheater-Projekte: „Nein/Hayir“ (gegen Zwangsverheiratung türkischer Mädchen, 1982) und „Hanîn/Sehnsucht“ (zur Migration aus dem Maghreb nach Europa, 1994/95).
Von 1995 bis 2016 leitete er das Theater im Bauturm in Köln. 2011 eröffnete das biennale africologneFESTIVAL als Projekt des Bauturms das erste Mal seine Pforten. Seit 2016 ist der Verein afroTopia e.V. Träger des Festivals. Von Beginn an ist Haag dessen Künstlerischer Leiter.
Als Ensemblemitglied der Stücke „KUNST“ (Reza, 1996) und „Nora“ (Ibsen, 2004) erhielt er den Kölner Theaterpreis.
2013 wurde Haag der Kölner Ehrentheaterpreis verliehen als „herausragender Persönlichkeit des Freien Theaters in Köln“.
Was bedeutet für Sie persönlich Theater?
Die Bedeutung des Theaters hat sich für mich immer wieder verändert. Als ich mit 13 Jahren zum ersten mal im Theater war (Stadttheater Pforzheim, „Gespenster“, Familiendrama von Henrik Ibsen), war ich wie vom Blitz getroffen: Ich erlebte, dass es jenseits meines Familiendramas noch eine andere Welt gab, in die ich fliehen konnte - was ich dann auch ausgiebig tat.
In den 1970/80er Jahren kam die politische Ebene dazu (ich war inzwischen Schauspieler): Theater musste thematisch relevant sein. Nach vier Jahren Stadttheater verließ ich den Betrieb enttäuscht und gründete 1981 mit einer Gruppe das Freie Werkstatt-Theater in Köln. Revolution und Emanzipation waren übergeordnete Leitlinien.
Während meiner Zeit als Theaterleiter stellten sich andere Aufgaben: Theater ermöglichen durch Schaffen geschützter Räume und produktiver kreativer personeller Konstellationen.
Heute, nach über 20 Jahren Erleben und Gestalten internationaler Theaterarbeiten (hauptsächlich in afrikanischen Ländern) steht die Bedeutung des Theaters als Kommunikation, als Verständigung im Fokus.
Kurz gesagt: Theater bedeutet mir: träumen können im geschützten Raum, im Kontakt mit Anderen und dabei gemeinsam Fragen nach einem anderen besseren Leben nachgehen.
Was war für Sie der bisherige Höhepunkt Ihrer Theaterarbeit?
(...eher Höhestrecken)
Als Schauspieler: Rolle des Serge in Yasmina Rezas „KUNST“, die ich seit annähernd 24 Jahren über 530 mal spielen durfte.
Idee und Entwicklung des africologneFESTIALs seit 2010 (mit entscheidender Hilfe und Unterstützung durch zahlreiche mir inzwischen zu Freund*innen gewordene Menschen)
Welchen Ort in NRW würden Sie Besucherinnen und Besuchern gerne zeigen?
Immer: Die Museumsinsel Hombroich.
Das Gerhard Richter-Fenster im Kölner Dom.
Foto: Meyer Originals
(Den Kontakt stellte theater:pur-Autor Günther Hennecke her.)
30. Mai 2020