Übrigens …

Drei Fragen an... Hajo Salmen

Hajo Salmen ist seit 2003 Vorsitzender des Freundeskreises des Schauspielhauses Bochum. Hier hatte er als Fünfjähriger mit dem Besuch des Weihnachtsstückes „Peterchens Mondfahrt“ sein Theater-Initiationserlebnis. In den folgenden Jahren war das „Weihnachtsmärchen“ eine wunderbare Pflicht für ihn. Als er dafür zu alt geworden war, lud ihn die Mutter eines angeheirateten Onkels, die als Garderobenfrau am Schauspielhaus arbeitete, ein, doch am Abend durch einen Seiteneingang zu ihr zu kommen. Er tat dies, nicht nur einmal, und erahnte als Schwarzseher schon eine rosige Theaterzukunft. Als er an der Ruhruniversität Germanistik und Geographie studierte, wurde ein theaterwissenschaftlicher Studiengang etabliert. Zu den Dozenten gehörte der Wuppertaler Oberspielleiter Dr. Günter Ballhausen. Er bot ihm auch eine Hospitanz bei „Scherz, Satire…“ an, mehr nicht. So wurde er Lehrer am Gymnasium am Ostring in Bochum und wusste, dass er seine Leidenschaft auch in die Schule mitnehmen werde. Schon als Referendar ergab sich die Möglichkeit. Theaterbegeisterte Schüler fragten ihn, ob er mit ihnen Dürrenmatts „Romulus der Große“ realisieren wolle. Die Titelrolle spielte Hansa Czypionka, der nach der Schauspielschule bald dem Peymann-Ensemble in Bochum und Wien angehörte. Auch nach dem Abitur der ersten Aktiven ging es weiter. In den ersten Produktionen der Nach-Romulus-Zeit war Katharina Grosse dabei, heute eine weltweit geschätzte Malerin, später folgten Jochen Malmsheimer und Frank Goosen. Mit der Intendanz Matthias Hartmanns wurde die Zusammenarbeit Schule-Theater wieder aktiviert. Annette Raffalt als Leiterin des Bereiches installierte ein Schüler-Theater-Treffen. Siebenmal wurden Produktionen seiner Theater-AG dazu eingeladen, dreimal gewann die Gruppe einen Theater-Oscar Ruhr.

Er war regelmäßiger Besucher des Bochumer Schauspielhauses (und anderer Bühnen der Umgebung), sodass er fast zwangsläufig zu den Gründungsmitgliedern des Freundeskreises Schauspielhaus Bochum wurde. 2003 wurde er dessen Vorsitzender. Das Bemühen, die Mitglieder „näher an das Theater heranzubringen“, ist ungebrochen.

Er ist seit 1977 verheiratet und hat drei Kinder, aber keine der beiden Töchter trägt den Namen Thalia.

 

Was bedeutet Theater für Sie?

Auch wenn Schillers Theaterverständnis („Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“) ein wenig eng ist, so gibt es doch wieder, was Theater auch heute noch leisten kann: Menschen zu zeigen, wie sie sind, wie sie sein sollten und wie es dazu gekommen ist. Und das nicht nur trocken wie die Epik, sondern in einem vielfältigen künstlerischen Kontext. Über all das kann man sich mit bekannten oder fremden Menschen sofort austauschen.

 

Was war für Sie persönlich der bisherige Höhepunkt auf der Bühne/im Theaterleben?

Aus der Enge der Schalla-Intendanz führte Peter Zadek seit 1972 das Bochumer Schauspielhaus in eine bis dahin unvorstellbare Weite. Seit „Kleiner Mann, was nun?“ präsentierte sich das Theater offen für neue Bilder, Themen, Inszenierungsstile, Schauspielerpersönlichkeiten, Räume… Eine Revolution! Das Undenkbare wurde machbar, und das nicht nur in Bochum.

Als 1979 Claus Peymann Intendant wurde, erkannte man die Bedeutung der Schulkontakte. Vera Sturm und Hermann Beil waren häufig in meinen Deutsch-Leistungskursen. Ein Höhepunkt war 1984 der Besuch von Gert Voss, der am Samstagmorgen, auf dem Boden hockend, mit meinen Schülern über die „Hermannsschlacht“ sprach. Die Schule wurde trotzdem 2010 geschlossen.

Schon über die Theaterarbeit mit Schülern hatte ich die pädagogische Bedeutung dieses Engagements verspürt. Als 2015 eine Vielzahl von Migranten nach Deutschland kam, war ich ehrenamtlich in Sprachkursen tätig. Ich erkannte die Freude meiner Schüler an kleinen Spielszenen und wollte eine Theatergruppe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gründen. Mit Hilfe von Martina van Boxen und Sabine Reich vom Schauspielhaus gelang es und in Manuel Moser aus Köln fand ich einen künstlerischen Leiter der Spitzenklasse. Die Gruppe nannte sich „Familie Rangarang“. Schon die erste Arbeit, die in der Bochumer Zeche 1 zur Aufführung kam, wurde 2017 für das Theatertreffen der Jugend in Berlin nominiert. Erfolgreich waren wir dann ein Jahr später mit „Being Peer Gynt“. So war eine von mir mit erarbeitete Aufführung beim Theatertreffen, ich saß als Mitverantwortlicher bei Publikumsgesprächen im Festspielhaus auf dem Podium! Aber wichtiger war: 15 junge Menschen verspürten, dass sie wichtig sind, dass sie etwas leisten können und erkannten die Bedeutung des Theaters für ihr Leben.

 

Welchen Ort in NRW würden Sie Besuchern und Freunden gerne zeigen?

Wer die verschiedenen Gesichter des Ruhrgebiets erleben möchte, sollte mit der Straßenbahnlinie 107/108 von Gelsenkirchen Hbf nach Essen Bredeney fahren. Nachdem man Gelsenkirchen (MiR, Revierpark Nienhausen) verlassen hat, erreicht man das Essener Stadtgebiet mit den Resten der Schachtanlage „Zollverein“ und dazugehörigen Arbeiterquartieren. Der Ausstieg am UNESCO-Welterbe Zollverein ist ein Muss, ebenso der Besuch des Ruhrmuseums. Danach geht es weiter, das letzte Streckenstück unterirdisch, bis Essen Hbf, wo umgestiegen werden muss. Wenn die Straßenbahn wieder nach oben kommt, hat sich der Raum verändert. Man nähert sich dem chicen Wohngebiet Bredeney. Von der Endstelle der 108 aus sind es nur wenige hundert Meter bis zum Eingang in den Park der Villa Hügel. Der Blick übers Ruhrtal ist wunderschön, die Besichtigung des Hauses überaus informativ. Vom S-Bahn-Halt Essen-Hügel gelangt man zum Essener Hbf und kann den Rückweg antreten.

 

(Den Kontakt stellte theater:pur-Autor Dietmar Zimmermann her.)

4. August 2020