Schlaghosen, Rollkragenpullis, Clogs
Diesen Tag werden Janet und Brad sicher nie vergessen. Nicht, weil sie sich gerade eben verlobt haben. Auch nicht wegen der dummen Reifenpanne mitten in einem Gewitter – obwohl genau hier ihre unglaubliche Geschichte beginnt, die Geschichte von Rocky.
Fast vierzig Jahre alt ist das Erfolgsmusical von Richard O’Brien The Rocky Horror Show, aber überall, wo es gespielt wird, reisen die Fans in Hundertschaften an und feiern ihren Rocky-Kult – auch jetzt bei der Premiere im Theater Hagen. Dort kommt der Retortenmensch buchstäblich frisch gebacken auf die Bühne: er entsteigt dem Küchenherd und wird wie ein Wunder bestaunt. Sein unheimlicher Schöpfer heißt Frank-n-Furter, und just in dessen Haus gestrandet sind Janet und Brad, diese beiden harmlosen Typen von der Highschool. Am Ende einer langen Nacht werden sie ganz neue Seiten an sich selbst kennen und schätzen gelernt haben.
Regisseur Holger Hauer lässt das Stück dort spielen, wo es herkommt: aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Schlaghosen, Rollkragenpulli, Clogs an den Füßen. Alles wie damals! Dazu eine Art Showtreppe, Diskokugel, unglaublich viel Witz - und Frank-n-Furter mit Afro-Wuschelkopffrisur. Er ist der anarchische außerirdische Transvestit und unermüdlicher Botschafter einer in allen Richtungen offenen Lebensweise. Mit einer selbstverständlichen Lässigkeit werden da angeblich verbotene Früchte geerntet. Kein Wunder, denn die Anziehungskraft seines Outfits ist enorm. So cool männlich in Strapsen und unbeschreiblich weiblich zugleich: Henrik Wager. Darauf fahren auch Brad und Janet alias Jeffery Krueger und Tanja Schun voll ab. Und Tillmann Schnieders als Rocky ist hier kein abscheuliches Monster à la Frankenstein, sondern ein muskelbepackter blonder Jüngling – ein Traum von einem Mann in seinem güldenen Höschen! Ausgezeichnet auch die Außerirdischen Guildo Horn und Marilyn Bennett.
Als unglaublich wertvoll erweist sich wieder einmal das eigene Tanzensemble am Haus: das Hagener Ballett ist eine Augenweide in knappen Hot Pants und engen Röcken. Mit von der Partie sind „Die Orthopädischen Strümpfe“, Guildo Horns Hausband, die den perfekten Sound der Seventies liefern.
Wasserpistolen, Reis und Rassel? Ab damit in den Ranzen und auf nach Hagen. Mitmachen und die Rocky Horror Show zelebrieren! „Let’s do the Time Warp again“. Das Premierenpublikum jedenfalls war dermaßen aus dem Häuschen, die Stimmung durch und durch hochgekocht, dass der Beifall kein Ende nahm.