Wie im richtigen Leben
Dieses Stück hätte Loriot geschrieben haben können, diese endlose Rede eines Politikers, Herrschers, Volksführers, Diktatoren oder sonstigen Machtmenschen. Aber Der Tribun ist von Mauricio Kagel, diesem Enfant terrible, diesem Anarchisten mit Schalk im Nacken. Kagels Tribun: ein zeitloses Stück! Weil es sie wirklich gibt und – solange die Menschheit existiert - immer geben wird: Demagogen, Verführer, Krakeeler. So wie er einer ist, da oben auf dem Balkon seines Palastes. Der sich zujubeln lässt, wenn auch „nur“ auf Knopfdruck und vom Tonband. Der Bedeutungsschwere in seine Stimme legt, überlegen lächelt, mit dem Zeigefinger rudert, die Hände weit ausbreitet. Es gibt viele Tribunen auf dieser Welt. Nicht immer kann man so über sie lachen wie über den von Kagel. Der Tribun war einer von vielen Aufsehen erregenden Konzerten des Festivals KlangZeit 2012 in Münster, das vom 29. Februar bis zum 10. März vor allem Neue Musik aus Lateinamerika präsentierte.
Andreas Ladwig fühlt sich mit Haut und Haar hinein in die Figur des Tribun, über die man kopfschüttelnd lacht und/oder vor der man sich lieber wegducken will. Was hat dieser Mensch nicht alles für Hohlheiten auf Lager, an Phrasen und Worthülsen! Mauricio Kagel treibt es natürlich auf die Spitze: „Ihr seid lieb“, „meine Kampflust ist eure Liebe“ – das ist noch niedlich. Aber mitunter geht es hart an die Grenze des Erträglichen: „Vielleicht wird man eines Tages dankbar sein, dass man sterben kann“. Dazu die virtuellen, Fähnchen schwenkenden Winkelemente, Volk genannt. Ladwig spielt ihren Tribun mit überzeugender Gestik und Mimik.
Sarkasmus, Ironie, auch ein wenig Verzweiflung angesichts so vielen Unsinns – all das kam wirkungsvoll beim Publikum im Konzertsaal der Musikhochschule an. Konzentriert und klangstark das „ensemble neutonwerck“ unter seinem Dirigenten Bernd Kortenkamp. Mal Luxus-Blaskapelle, mal knorzige Banda mit Hang zum Kakophonischen – exquisit!