Drei sind keiner zuviel
Adolphe Adam gehört zu jener Spezies von Komponisten, deren Name halbwegs geläufig ist, deren Werk allerdings überwiegend im Dunkeln vor sich hin dümpelt. Ausnahmen bestätigen da nur die Regel. Im Falle des französischen Musikers heißen die „Hits“ Der Postillon von Lonjoumeau und Giselle. Hier das Ballett, das manche als bedeutendstes der Romantik sehen, dort die Oper, die musikalischen Schwung und Grazie aufs Schönste und Virtuoseste vereint. Sonst aber ist der Komponist auf deutschen Bühnen ein Unbekannter.
Wer also war Adolphe Adam? Sohn eines berühmten Pianisten und Lehrers am Pariser Conservatoire, Internatsschüler, zeitlebens ein glühender Verehrer des Musiktheaters. Adam wurde 1803 in Paris geboren und starb dort 1856. Bis auf einige Einladungen nach London oder St. Petersburg blieb er der Hauptstadt der französischen Oper treu. 1847 eröffnete er dort sogar seine eigene Bühne: das Theâtre lyrique populaire. Die Freude darüber währte indes nicht lang. In den Wirren der 48er Revolution musste er das Haus schließen und ging Bankrott. Er hielt sich als Musikjournalist über Wasser, bis Adam 1849 Professor am Conservatoire wurde.
In diesem Jahr entstand die amüsante, luftig leichte, dezent frivole Comique Le toréador, ou L'accord parfait, ein etwa neunzigminütiges Schmuckstück des Genres „komische Oper“, anzusiedeln zwischen Mozarts Witz und Offenbachs Lust an der Parodie. Adam komponierte indes weder den tiefsinnigen Humor des Klassikers, noch den beißenden Spott des Meisters der Operette. Der Torero, oder die perfekte Vereinbarung – so der deutsche Titel – besticht durch eine schmissige, süffige, melodienselige, koloratursatte, fast immer taghelle Musik. Dunkle Farben haben Seltenheitswert und bekommen bei Adam eine parodistische Note.
Dass die Partitur eines derartigen Schatzes in den Archiven vergilbt, ist deshalb kaum zu verstehen. Umso mehr ist der Wuppertaler Oper zu danken, die Adams Werk lustvoll ans Licht holte. Und die Geschichte um einen seitenspringenden Ex-Torero und seine frustrierte Gattin, die sich einen früheren Liebhaber ins Haus holt, was schließlich in eine von allen tolerierte „Ménage à trois“ mündet, temporeich zu inszenieren weiß. Intrige, Briefszene und ein Hauch von Erotik inbegriffen. Dies alles in einer deutschen Übersetzung, die niemals platt und peinlich ist.
Für Irritation aber sorgt die Spielstätte. Eine ehemalige Werkshalle, aufgehübscht und doch ein Provisorium. Das Publikum sitzt eng aneinandergedrängt, die Akustik dient nicht der Textverständlichkeit und manches Orchester-Forte kommt arg protzig daher. Immerhin hat Monika Frenz auf der kleinen Bühne eine ansehnliche Ausstattung hinbekommen. Ein halbrundes Konstrukt mit zwei Öffnungen dient als Haus des Geschehens, das eine Plattform verbirgt, auf dem das quirlige Geschehen abläuft. Das erinnert ein wenig ans Stegreiftheater: schnell ein paar Bretter zusammengebastelt, und los geht’s mit Tragödie oder Komödie.
Weit fantasievoller sind Monika Frenz indes die Kostüme gelungen. Der alternde Don Belflor, ein wenig trottelig, zersaust und sehr von sich eingenommen, hat seine Torero-Montur übergeworfen, um bei den Damen zu punkten. Seine Frau Coraline und der Liebhaber Tracolin scheinen mit ihren weißen Perücken dem Rokoko entlaufen. Er trägt Uniform, sie ein bunt-flippiges Kleid, das einer Kokotte ebenso gut stehen würde wie einer Columbina.
Das Trio spielt und singt in der Inszenierung Björn Reinkes, die gekonnt auf den Spuren der Commedia dell’arte flaniert, im Überschwang der Gefühle. Dariusz Machej gibt den Don Belflor mit großvolumigem Bass, Nathan Northrup singt den Tracolin mit tenoralem Sanftmut und heldischem Spitzenton. Elena Fink aber ist diejenige, die sich durch waghalsige Koloraturen in den Vordergrund jubiliert. Adolphe Adam nutzt dazu das Lied Ah! vous dirai-je, Maman – auch als indirekte Verbeugung vor Mozarts Klaviervariationen über das Thema.
Nicht zuletzt ist das Sinfonieorchester Wuppertal mit Herzblut dabei. Tobias Deutschmann am Pult kitzelt den französischen Charme, die Leichtigkeit und alles Filigrane der Musik schwungvoll heraus. Solcherart gelungene Ausgrabung macht Lust auf mehr: Adolphe Adam hat immerhin an die sechzig Opern geschrieben.