Übrigens …

Die Kluge im Köln, Oper

Starke Typen

„Ach, hätt‘ ich meiner Tochter nur geglaubt!“ So fängt es an. In scheinbar endlosen Wiederholungen. Hätte er, der Bauer, hätten wir kein Märchen und keine Oper. Gut, dass er nicht hat. Denn das ermöglicht die Wiederbegegnung mit einem Stück, dem eindeutig häufigere Präsenz auf unseren Spielplänen zu wünschen ist. Die Kluge ist eine hochintelligente Komposition, was das sehr prägnant aufspielende Gürzenich-Orchester unter Alexander Rumpf am Premierennachmittag – das Stück besetzt im Spielplan die Position ‚Familienoper‘ – schlüssig nachweist. Orffs Musik verweigert die Illustration oder stellt sie aus. Nie ist sie einfach nur schön bunt, immer kantig, auch mal hinterfotzig. Die die Auftritte des Königs begleitenden Hofmusiken etwa klingen wie wütende Parodien, als würde sich da einer über erst Jahre später entstandene Märchenfilmmusiken lustig machen. Schärfe hat das und narrativen Vorwärtsdrang.

Hierin folgt die sehr musikalische Inszenierung von Brigitta Gillessen der Komposition. Christof Kremer hat ihr eine bunte Märchenwelt gebaut aus bekannten Emblemen, geometrischen Formen und klassischen Typen – König, Bauer, Kerkermeister. Aber die Einfachheit dieses Modells wird nicht geleugnet, sondern immer wieder ironisiert, mit Leben gefüllt, vom Heute her gedacht. Anders gesprochen: Gillessen inszeniert eine Parabel. Helden des Publikums sind drei sogenannte Strolche, die die Welt, in der sie leben als chaotisch und ungerecht definieren und daraus das Recht ableiten, zu tun was ihnen und ihrem Magen passt. Sie reden in Sprichwörtern und Redensarten und Orff hat ihnen schillernde, variantenreiche Musik geschrieben. Und sie müssen viel sprechen. Das tun Opernsänger in der Regel ungern, aber Dennis Wilgenhof, Michael Mrosek und Martin Koch, alle drei stimmlich wie körperlich sehr beweglich, entwickeln großen Spaß daran und halten so auch der heutigen Gesellschaft noch den Spiegel vor. Und nicht nur sie. Gillessen findet immer wieder schöne Bilder, die auf der Märchenfolie funktionieren, aber sie verniedlicht nicht. Ihre Inszenierung hat Zug und ist genau gearbeitet, mit vielen liebevollen Details. Einziges Manko: die Stilisierung gerade der Hauptfigur zur puppenhaften Ballerina irgendwo zwischen Velazquez- und Degas-Gemälden entfernt die kluge Bauerntochter vom Publikum, zumal vom jungen. Ihre Warmherzigkeit vermittelt sich nicht, obwohl Anna Palimina mit außergewöhnlicher Klangfantasie singt und jedes Wort zu verstehen ist. Mit dem aufbrausenden König, dem Oliver Zwarg auch schöne lyrische Töne mitbringt und Bjarni Thor Kristinssons brummig-prägnantem Bauern hat es das Publikum leichter.

Der Kölner Oper ist ein schöner Abend gelungen, musikalisch nahezu perfekt, handwerklich auf sehr hohem Niveau – und wohl tatsächlich etwas für Jung und Alt.