Übrigens …

Die Herzogin von Chicago im Detmold, Landestheater

Csardas versus Charleston

In einem Stummfilm mit schwarz-weißen Bildern dokumentiert ein Regisseur das Leben im Königreich Sylvarien. Dort herrschen Traditionen, die das Leben in festen Bahnen lenken. Als Ort des Geschehens wählt er eine Tanzbar. Die betritt auch Erbprinz Sandor und hält ein starkes Plädoyer für die traditionellen Tänze wie Csárdás oder Walzer und sonnt sich in der Gewissheit, dass er seinen Untertanen aus der Seele gesprochen hat. Doch dann wird Alles in Frage gestellt, Sinn und Zweck des Lebens im Königreich angezweifelt. Eine quirlige Truppe aus Dollarika stürmt die Bar, gekleidet in buntes Outfit, die Frauen tragen sogar Hosen. Angeführt werden die Eindringlinge von Mary Lloyd, der Tochter eines reichen Dollarikaners. Die sorgt mit Verteilen ganzer Bündel von Dollarscheinen dafür, dass nunmehr die Tradition beiseite geschoben wird und der Charleston im Mittelpunkt steht. Dafür, dass die scheinbare Unvereinbarkeit der Positionen aufgeweicht wird, sorgt der Beginn von Liebesgeschichten: Sandor - im Kostüm des ewigen Verlierers Charlie Chaplin - verliebt sich in Mary und der Sekretär ihres Vaters in Prinzessin Rosemarie, die eigentlich für Sandor vorgesehen war. Wir ahnen es schon: Nach vielen Wirrungen mit Haken und Ösen gibt es ein doppeltes Happy End. Das gelingt aber nur durch das resolute Eingreifen des Filmregisseurs, der sich sein Projekt nicht vermiesen lassen möchte. Da kommt ein böser Schluss natürlich überhaupt nicht in Frage.

Geertje Boeden setzt Emmerich Kálmáns Operette Die Herzogin von Chicago in die Filmbranche und hat so beste Voraussetzungen Gegensätze aufeinander prallen zu lassen, dass es zwar knirscht, aber nicht knallt: Im Film ist schließlich alles möglich! Arm und Reich, Tradition und Moderne sind da nur einige Stichworte. Im Vordergrund aber stoßen Frauen und Männer aufeinander. Da sind die Blockaden allerdings nur schwer aufzulösen. Der Set erlaubt es Regisseurin Boeden auch die bisweilen arg überspitzten Pointen einzubauen, ohne dass es im Geringsten peinlich wird.

Jeder Zentimeter der Bühnenfläche wird genutzt, um opulente Szenen zu kreieren. Im größten Gewusel schafft die Choreografie Annika Dichels sehenswerte Struktur. Gut, wenn man ein Ballett am Haus hat, das hilfreich die Inszenierung bereichern kann und das mit viel Spaß an der Sache auch tut. Musikalisch bleiben bei Emmerich Kálmáns einfallsreichen Melodien, die kaum Ruhepunkte zulassen, keine Wünsche offen. Der Chor hat wie das Ballett richtig Lust auf Operette und die kleineren Rollen fügen sich perfekt in die Inszenierung.

Marianna Nomihou entwickelt als Prinzessin Rosemarie Selbstbewusstsein, will nicht mehr wie ein Pokal weitergereicht werden. Das postuliert Nomihou mit schöner, klarer Stimme. Ihren Geliebten James Bondy gibt Nikos Striezel mit viel Selbstbewusstsein - ein typischer Vertreter der neuen Welt.

Stephen Chambers ist ein typischer Operettenprinz - viel Tradition, kein Geld, aber sehr gefühlvoll. Und das kann Chambers in seine Stimme legen. Mag ihm der rechte Operettenschmelz vielleicht noch etwas fehlen, Gefühle strömen betörend aus seiner Kehle. Emily Dorn als Mary Lloyd wirft sich in die Rolle und entfaltet darstellerisch wie stimmlich ein Feuerwerk, zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Mit ihr wird der Erbprinz sicher kein langweiliges Leben haben!

Claudio Novati hält mit den Detmolder Symphonikern "den Laden" zusammen, die Spannung lässt nicht nach. Zwischen Graben und Bühne stimmt das Gleichgewicht. Aus vielen Kehlen dürfte sich ein Stoßseufzer entladen haben: "Das war aber schön". Dann gibt es ganz viel Jubel für alle Beteiligten.