Übrigens …

Don Giovanni im Wuppertal, Theater

Die Tricks des Verführers

Die Verführung“ steht unten auf dem Besetzungszettel: Nanu, wer ist denn das? Um den „Verführer“ geht es ja in Mozarts Oper Don Giovanni. Aber schon während der Ouvertüre löst sich in Wuppertal eine Gestalt aus dem Dunkel der holzgetäfelten Bühnenrückwand. Es ist der Tänzer Ruben Reniers, er schleicht später als Symbolfigur um die Sänger herum und führt auch das Schwert bei der Ermordung des Komturs durch den Titelhelden. Was allerdings etwas ungelenk inszeniert wirkt.

Regisseurin Claudia Isabel Martin hat da eine Figur in die Oper eingeführt, die einen zentralen Aspekt des Stücks personalisieren soll, dabei aber so abstrakt wie entbehrlich bleibt. Was um so stärker ins Gewicht fällt, als die Regie stimmige Lösungen für manch verschlungene Wege der Handlung bietet. Souverän sind etwa die Ensembleszenen gestaltet, vor allem das Quartett im ersten Akt. Wenn Donna Anna, die zu Beginn vom maskierten Don Giovanni bedrängt (und gerade nicht verführt) wurde, gemeinsam mit ihrem Ottavio beim noch unerkannten Täter um Hilfe bittet, mischt sich dessen Ex-Geliebte Elvira warnend ein: Wie nun wechselseitig geworben, gedroht und verhandelt wird, das ist auf der Bühne präzise choreografiert. Ähnliches geschieht bei den Tricks Don Giovannis im ersten Finale und der Maskerade im zweiten Akt: Immer wieder wird deutlich, wie der gefährdete „Held“ seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Die Inszenierung erzählt damit viel mehr als mit Albernheiten wie der Wäschesammlung, die Giovannis Diener Leporello neben seinem Register in einem Geigenkasten aufbewahrt.

Wuppertals Generalmusikdirektor Patrick Hahn leitet diese Ensembles mit Umsicht, könnte lediglich für die Tanzszene das Orchester im Graben gegenüber den beiden Mini-Orchestern auf der Bühne noch etwas zurücknehmen. Auf das Sinfonieorchester Wuppertal sowie den guten Opernchor ist auch an diesem Premierenabend Verlass, es muss sich nur zu Beginn in die forsche Lesart seines Dirigenten noch etwas einstimmen. Der lässt mit Wucht die Pauken knallen und steigert die Bläserklänge vor Donna Annas Erkenntnis-Arie nach dem Quartett zu schneidender Schärfe. Gemeinsam mit der brillanten Sopranistin Margaux de Valensart macht er diese Arie zum Herzstück des ersten Akts. Im zweiten Akt braucht die Sängerin etwas mehr Rücksicht für die heiklen Koloraturen, hier wiederum hat Edith Großmann als Donna Elvira eine Sternstunde mit ihrer großen Arie. Als dritte im Frauenbunde gibt Natalie Labourdette eine wunderbar kokette Zerlina, gibt womöglich ein bisschen zu viel Stimme und Vibrato in der zweiten Arie. Die Streicher des Orchesters weben ihr stets ein feines Klanggewand.

Dass Patrick Hahn in den Arien auf Tempo setzt, bekommen vor allem Zachary Wilson in der Titelrolle und Sangmin Jeon als Don Ottavio zu spüren. Wilsons feiner Bariton trägt dazu bei, dass dieser Giovanni nicht allzu machomäßig heraussticht, in seiner Champagnerarie lässt er sich trotz des schäumenden Tempos nicht aus der Fassung bringen. Jeon singt wunderbar in den Rezitativen, bekommt aber nur die Arie des zweiten Akts, in der er seiner Geliebten ebenfalls ziemlich schnell folgen muss – auch das gelingt ihm. Die tiefen Partien sind mit Erik Rousi (Komtur), Oliver Weidinger (Leporello) und Agostino Subacchi (Masetto) ebenfalls gut besetzt.

Für den zweiten Akt hat Polina Liefers ihr Bühnenbild, das als gediegener Einheitsraum akustische Vorzüge, aber szenisch ein wenig Beliebigkeit bot, nach hinten geöffnet: Daraus tönte mit viel Hall die Statue des Komturs, ohne Don Giovanni beim tödlichen Handschlag wirklich zu berühren. Diese Form der Abstraktion wirkte indes genauso stimmig wie die Reihe der festlichen Tische, die im zweiten Finale über die Bühne zieht und Don Giovannis Ende mit einem gut gefüllten Sektkübel markiert. Auch die Kostüme von Veronika Kaleja wirken auf kluge Art sprechend, weil sie den (so oft gesehenen) 70er-Jahre-Look des Beginns zugunsten der Commedia-dell’Arte-Zitate zurückdrängen. So konnte das Premierenpublikum die Produktion ebenso feiern wie die Opernfiguren die Bestrafung des Verführers.