Übrigens …

Missgeburt im Köln, Theater Tiefrot

Brisantes Thema, fragwürdiges Ende

Kürzlich kam Contergan noch einmal in die Schlagzeilen. Diskutiert wurde vor allem die Art und Weise, wie die Herstellerfirma mit den Opfern dieses Medikaments umzugehen habe. Was in Rachel Axlers Missgeburt dazu führte, dass Colby ein deformiertes Mädchen zur Welt brachte, welches bereits auf dem Ultraschallbild lediglich als undefinierbarer Fleck zu sehen ist (übersetzt heißt der Originaltitel Smudge (Schmutzfleck), erklärt das Stück nicht. Die junge Mutter wird von den Ärzten freilich mit Fragen nach Drogenkonsum u.ä. bombardiert.

Nach und nach sehen Colby und ihr Mann Nick der Realität ins Auge und suchen nach einem Weg, den Schicksalsschlag zu bewältigen. Während Nick zu einer Art „Normalität“ findet und der in ihrer Wiege durch allerlei Schläuche am Leben gehaltenen Tochter Cassie auch echte Zuneigung entgegenzubringen scheint, fühlt sich Colby durch die Situation überfordert. Sie flüchtet sich in einen ironischen Dialog mit dem Wesen ohne Gliedmaßen, aber mit einem großen, türkisfarben leuchtenden Auge. Regisseur Stefan Krause ersetzt im Theater Tiefrot die Wiege durch eine kleine Aluminiumwanne, über der eine Infrarotlampe angebracht ist. Der Zustand des dahin vegetierenden Kindes wird durch Pieptöne angezeigt, nervig für die Mutter wider Willen.

Während Nick mit Hilfe seines Bruders Pete bei einem Amt für Statistik ein Symposium ausrichten darf, welches ihn von Trauer und häuslicher Beanspruchung einigermaßen ablenkt, muss Colby zu Hause im dunkel gehaltenen Kinderzimmer ausharren. Ihre Abwehr, die sich langsam zu Hass steigert, versucht sie durch Gespräche mit dem stummen Wesen in der Wanne zu überspielen und zu kompensieren, die zwischen Verzweiflung und Ironie changieren. Wenn Nick zu Hause ist, kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Etwas Trost spendet ihr eine harmlose Affäre mit Pete, wo es ohnehin bei Küssen bleibt. Am Schluss sitzen Colby und Nick wie zu Beginn an der Rampe und träumen von einem neuen Kind, welches sich bereits ankündigt. Das Schicksal des armen Wesens in der Wanne bleibt draußen vor der Tür.

Auch wenn die Autorin ihr Stück als „schwarze Komödie“ versteht, kann man mit diesem glatten Ende nicht zufrieden sein. Insofern trifft die Charaktersierung des Verlages Hartmann & Stauffacher durch das Wort „bitterböse“ sicher zu, weniger durch die Formulierung „mutig“. Immerhin: die Verhaltensstadien und -wechsel spielt Celina Engelbrecht beeindruckend und verstörend heraus. In der konzentrierten Inszenierung Stefan Krauses macht auch Moritz A. Sachs als Nick gute Figur. Den smarten Pete gibt Jörg Kernbach mit aufgedrehtem Charme. Smudge wurde im Januar 2010 am New Yorker Julia Miles Theatre uraufgeführt, die deutsche Premiere erfolgte (in der Übersetzung von Michael Raab) im vergangenen März in Kaiserslautern. Tiefrot hat also schnell reagiert.