Mein lieber Schwan
Biertischgarnituren, Dutzende Klappstühle, ein Sarg, ein Fahrrad, ein Motorroller, schwere Koffer, jede Menge Schuss- und Stichwaffen, Ketchup-Flasche und ein Topf Spaghetti. Das alles und noch viel mehr sorgt in David Böschs Version des Goldoni-Klassikers Der Diener zweier Herren für überreichliche Zutaten. Allein: Die Premiere des 1746 geschriebenen Stücks litt unter dem zuviel an Beiwerk, was witzig wirken sollte, blieb eher fad in dieser Commedia dell'arte. Die Schauspieler - mit Ausnahme der wundervoll agierenden Xenia Snagowski in der Rolle des Dienstmädchens Smeraldina - hechelten zumeist den viel zu vielen Regieeinfällen hinterher.
Nicola Mastroberardino als stets hungriger und nie essender Diener Truffaldino ist zudem in der knapp dreistündigen Bösch-Variante (inklusive Pause) als Hauptfigur extrem quirlig und wirkt oft wie überdreht. Das Stück über einen Diener, der sich gleich von zwei Herren anwerben lässt, auf doppelten Lohn und doppeltes Essen setzt und in seiner Aufgeregtheit immer wieder für Verwirrung sorgt, kommt in Bochum zudem recht trashig über die Bühne. Da wird geschossen und der ganz in Marilyn Monroe-Posen daherkommenden Clarice (Maja Beckmann) ein Auge ausgestochen. Ihr Vater fällt in einen offenstehenden Sarg und schlägt sich als Mischung aus Mafioso und Dracula aus dem Behältnis in die Freiheit.
Im Verlauf der Wirren um Florindo und Beatrice, die beide am Ende des viel zu langen Stücks erschossen im Hintergrund der Bühne liegen und Clarice und Silvio, die sich nach reichlich Hauen und Stechen doch noch vertragen und beide mit einer Augenklappe versehen in eine Art von Happy End taumeln, bleibt Smeraldina am Ende die einzig Glückliche. Ein hübsches Schlussbild, wie sie mit einer großen Hochzeitstorte zum völlig erschöpften Truffaldino kommt und beide sich den Mund mit Sahnetorte bemalen und in einem nicht enden wollenden Kuss den leisen Triumph des Dienerpärchens im wahrsten Sinn des Wortes „auskosten“.
Mit Goldonis Diener zweier Herren hat die Bösch-Variante, die sich an einer Bearbeitung der Komödie von Roberto Ciulli und Jürgen Fabritius orientierte, nicht mehr viel zu tun. Das allein muss ja kein Mangel sein, hat Goldoni schließlich doch nur das Gerüst der Handlung bereit gestellt. Doch der Regisseur, der dem Hotel von Florindo und der als Mann verkleideten Beatrice den Namen „Zum toten Schwan“ verleiht, macht aus der Komödie eine recht platte Klamotte, bei der am lang erwarteten Ende auch noch ein riesiger illuminierter weißer Schwan seinen Auftritt hat und Clarice und Silvio sich in Lohengrin-Posen und Gesangsfetzen wieder nahe kommen.
Der Applaus am Ende war für Bochumer Verhältnisse mager, höchstens als freundlich zu bewerten. Drei anstrengende Stunden, bei denen nicht wenige Zuschauer unmittelbar nach dem Fallen des blauen Vorhangs schleunigst das Weite suchten. Beim Verlassen des Theaters hörte der Rezensent den Stossseufzer einer älteren Dame, die mit den Worten „Mein lieber Schwan“ versuchte, das Theatererlebnis in aller Kürze zu bewerten.