Der zerbrochne Krug im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Schöner Traum, schnöde Wirklichkeit

Er steht eindeutig ganz im Zentrum der Inszenierung, der Chef des Wolfgang-Borchert-Theaters Meinhard Zanger. Und dieser nutzt die Bühne, die ihm Tanja Weidner bereitet hat, auch voll aus. An diesem Abend ist er der Dorfrichter Adam, für den das Richterhandwerk nicht durch Suche nach Recht gekennzeichnet ist, sondern durch Willkür und Betrug. Zanger hat diesen gerissenen und fantasievollen Betrüger, dem es nur um seinen eigenen Vorteil geht, einfach verinnerlicht. Und er wächst förmlich über sich hinaus im Prozess um den Zerbrochnen Krug, der in Wahrheit auch ein Zweikampf ist mit Gerichtsrat Walter. Der ist nämlich um keinen Deut besser als Adam, denn für ihn sind die „Ehre des Gerichts“, die Macht und die Autorität der Rechtspflege wesentlich wichtiger als Recht und Gerechtigkeit selber.

Darko Petrovic schafft für diesen Zweikampf eine einfache „Arena“ – ein etwas in die Jahre gekommenes Halbrund, in dem Adam ganz klar Heimvorteil hat. Dessen Wände sind durchscheinend – ermöglichen den Blick auf eine Winterlandschaft und evozieren so einen Hauch von Magie. Das ist Teil von Tanja Weidners zentraler Idee: Sie gibt Zanger „Traummomente“, in denen die Handlung stockt, alles im Zeitlupentempo langsam vorangeht und auf den Richter ein fast poetisches Licht geworfen wird. Hier werden andere Seiten seines Charakters deutlich – die Sehnsucht nach Liebe etwa, das Bedürfnis, aus seiner auf Betrug aufbauenden Welt auszubrechen. Der plump-schlaue Dorfrichter gewinnt so enorm an Facettenreichtum und Aura.

Eine Konzentration auf eine Person, die in Weidners Inszenierung natürlich ihre Berechtigung hat, sorgt aber fast unweigerlich dafür, dass die anderen Personen in den Hintergrund geraten. Kontur gewinnen können da vor allem Monika Hess-Zanger als burschikose Marthe Rull, Alice Zikeli als sehr zarte Eve und der Walter Sven Heiß’, dessen geschliffene Sprache sich als inhaltsleer und verlogen erweist.

Für das gesamte Ensemble gibt es viel Beifall – besonders gefeiert wird zu Recht Meinhard Zanger, dessen Dorfrichter mal so ganz anders daher kommt.