After Midnight im Schauspiel Essen

„There is a crack in everything."

Auf der Bühne sehen wir ein typisches amerikanisches Diner mit dem Namen After Midnight. Zunächst von außen, dann dreht sich die Bühne und wir blicken in den Innenraum. Es schneit. Wo? In Monessen, in Westmoreland County, Pennsylvania – irgendwo im amerikanischen Niemandsland. Benannt nach dem Monongahela River und der deutschen Stadt Essen. Ein verlorenes Kaff, einst Zentrum der Stahlproduktion, aber jetzt im „Rust Belt“. Auch der Diner, den Pattie von ihrer Mutter geerbt hat, hat bessere Zeiten gesehen. An einem eisigen, schneeverwehten Silvesterabend trudeln hier einige skurrile Typen ein. Patties Freund Rick, ein nicht gerade erfolgreicher Rockmusiker, will ausgerechnet an diesem Abend mit einem Konzert das große Comeback seiner Band feiern und damit an früher anknüpfen, als hier mehr oder minder erfolgreiche Bands auftraten. Ferner kommt der Handlungsreisende Cassius herein, dessen Wohnmobil im Schnee steckengeblieben ist. Später der mysteriöse Schriftsteller Norman.

Florian Heller, Dramaturg und Autor, hat diesen Abend konzipiert. Songs von Eric Clapton, Johnny Cash und Leonard Cohen stehen auf dem Programm, oft exemplarisch für tiefe Einsichten, tiefe Gefühle, aber auch tiefe Abgründe. Ein „Grindhouse-Liederabend“ – irgendwo zwischen Edward- Hopper-Gemälden, Tarantino und Blues: „There is a crack in everything. That’s how the light gets in.“ Es geht um Liebe, Schuld, vertane Hoffnungen. Die etwas konstruierten Beziehungen zwischen den Akteuren sind bei weitem nicht so wichtig wie die durch die Songs vermittelten Emotionen.
Stimmlich beeindruckend: Jan Pröhl (Cassius), Jens Winterstein (Norman, absolut fantastisch, wenn er Cohen singt) und als Gast Philipp Alfons Heitmann (Rick). Laura Kiehne spielt Pattie, Rezo Tschchikwischwill den Sheriff Robert. Die hervorragende Live Band besteht aus vier Musikern: Alex Morsey (Bass), Bastian Ruppert (Gitarre). Hajo Wiesemann (Flügel, Hammondorgel) und Philipp Zdebel (Schlagzeug).

Ein Abend, der wohl die meisten Zuschauer an ihre Jugend erinnerte. Ein Abend zum Genießen, aber auch ein Abend mit Wehmut.
Unbedingt sehens- bzw. hörenswert.