Leise flehen meine Lieder...
Tanzfreunde in NRW wissen es längst: wer mit gepflegtem neoklassischen Ballett einen unterhaltsamen Abend verbringen möchte, fährt nach Krefeld oder Mönchengladbach. Dort tanzt die 20-köpfige Truppe von Robert North seit 2007 mit immer gleich bleibendem Engagement und auf hohem technischen Niveau. Ob Carmen oder Carmina Burana, Romeo und Julia oder Casanova - das Ensemble profiliert sich auch durch lebendige Darstellung und charmante Pantomime, die sich harmonisch mit den weich fließenden Tanzbewegungen paart.
Der jüngste Ballettabend Lachen und Weinen bildet keine Ausnahme. Die drei Lebensbilder beginnen mit dem rührenden Pas de deux Erinnerung eines alten Ehepaares, das Schlüsselszenen des gemeinsamen Lebens Revue passieren lässt. Aus den langen Mänteln und Schlapphüten schälen sich die gebückten Gestalten, kaum haben sie sich auf "ihrer" gusseisernen, altmodischen Parkbank niedergelassen und Tiere gefüttert. "Sie" trifft nun im bunten ärmellosen Hängerchen "ihn" in blauem T-Shirt und Jeans. Man flirtet, sie ziert sich - der Funke springt über, wie man in der Szene der beiden in den "besten Jahren" sieht. Yasuko Mogi und Takashi Kondo bieten fabelhafte Duette und Solopassagen. Repetitor André Parfenov traktiert das Klavier im hochgefahrenen Orchestergraben mit fünf bekannten Chopin-Stücken etwas polternd und mit sehr viel Pedal.
Zum Variationssatz aus Schuberts Quartett Der Tod und das Mädchen sitzen vier Streicher dort (Mitglieder und Gäste der Niederrheinischen Sinfoniker). Auf der Bühne wehrt sich das junge Mädchen (Karine Andrei-Sutter) gegen die Attacken des Todes (Alessandro Borghesani). Aber als die Freundin (Victoria Hay) sie ins Leben zurückziehen will, fehlt dem Mädchen die Kraft; sie ergibt sich dem Tod.
Ein munteres Biedermeier-Treiben spielt sich nach der Pause in der "Schubertiade" vor blauer Gebirgskulisse mit silberner, entblätterter Linde ab. Zu Schubert-Liedern, darunter Lachen und Weinen auf das Gedicht von Friedrich Rückert, Leise flehen meine Lieder von Ludwig Rellstab und aus der Winterreise, tritt "der Fremde" (Alessandro Borghesani) in lebhafte Dialoge mit seinem Alter Ego (Raphael Peter). Elisa Rossignoli ist das zarte "Liebchen". Immer wieder tritt eine muntere Dorfjugend fröhlich auf oder man trifft sich zum gepflegten Hauskonzert, um den neuesten Kompositionen des Meisters zu lauschen. Auf einem Podest musizieren Bariton Rafael Bruck und Pianist Parfenov. Nun ist das Klangbild (am anderen Flügel, ein anderer Komponist) wesentlich dezenter und ausdrucksvoller - ein musikalischer Hochgenuss, dem Robert North den Tanz unterordnet, fast rein illustrierend choreografiert.
Wer sich diesen schönen Ballettabend immer wieder in Erinnerung rufen will, sollte den Kalender 2015 der rührigen Ballettfreunde erwerben (10 € in den beiden Theatern). Man unterstützt mit dem Preis gleichzeitig die Arbeit des Balletts, dem der volle Verkaufserlös der 250 Exemplare zu Gute kommt.