Ivo van Hove, Chef der Ruhrtriennale 2024-2026
Ivo van Hove leitet 2025 seine zweite Ruhrtriennale, weiterhin unter dem Motto: „Longing for Tomorrow - Sehnsucht nach morgen”von Martin Burkert
Im vergangenen Jahr startete Intendant und Regisseur Ivo an Hove die Ruhrtriennale mit einem furiosen Musiktheaterstück und einer grandiosen Sandra Hüller: I Want Absolute Beauty. Für 2025 hat Ivo van Hove wieder einen Schauspiel-Star zu seiner Eröffnungs-Premiere engagiert: Lars Eidinger wird darin vor allen Dingen nostalgische Songs von Frank Sinatra singen. Der Titel ist darum nicht verwunderlich: I Did It My Way. Larissa Sirah Herden ist die Partnerin, die ihre Ehe verlässt und mit Liedern von Nina Simone die Emanzipationsgeschichte einer schwarzen Frau auf die Bretter bringt.
Seit 2024 leitet der Belgier Ivo van Hove die Ruhrtriennale in den Kathedralen der Industriekultur. So bezeichnete der belgische Gründer des Festivals Gerard Mortier die zu Veranstaltungsorten aufpolierten Industriehallen des Reviers. Ivo van Hove ist auch Belgier, geboren 1958 in Heist-op-den-Berg, nahe bei Antwerpen. Er begann 1981 seine Karriere mit alternativen Inszenierungen und nutzte gerne außergewöhnliche Orte wie Hafenspeicher, eine alte Wäscherei oder Kellerräume. Theatermachen an außergewöhnlichen Orten ist so etwas wie die Quelle seiner Inspiration, die er an verschiedenen Off-Broadway Theatern in New York fortsetzte, ehe sein Talent in Belgien und den Niederlanden offenbar wurde. Bald wurde er als Regisseur an bedeutenden europäischen und amerikanischen Bühnen engagiert. Er war künstlerischer Leiter von Theatergruppen in Antwerpen, Eindhoven und Amsterdam, leitete von 1998 bis 2004 das Holland Festival in Amsterdam und wurde ab 2001 bis September 2023 Direktor des Internationaal Theater Amsterdam (ITA), ehemals Toneelgroep Amsterdam, dem größten Theaterensemble der Niederlande.
Inszenierungen von Ivo Van Hove waren und sind in der ganzen Welt zu sehen, u.a. bei Festivals in Avignon, Venedig, den Wiener Festwochen, dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg, dem National Theatre London, Opéra de Paris, Metropolitan Opera New York und dem Wiener Burgtheater. Dort arbeitete er mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie Gillian Anderson, Juliette Binoche, Bryan Cranston, Isabelle Huppert und Jude Law.
Im November 2023 wurde er als Intendant der Ruhrtriennale berufen für die Spielzeiten 2024 bis 2026. Es ist bis dato immer so, dass die Intendanz bei der Ruhrtriennale drei Spielzeiten dauert.
Im Jahr 2023 wurde van Hove als Direktor des Internationaal Theaters Amsterdam beurlaubt. Es gab Vorwürfe, dass Mobbing im gesamten Theater verbreitet sei. Van Hove trat daraufhin zurück, wie auch der gesamte Aufsichtsrat. Es gab eine Untersuchung, die die Vorwürfe teilweise bestätigte. Er selbst allerdings betont, dass er vor allem ein Team-Worker sei und den Schauspielerinnen und Schauspielern möglichst große Freiheit zugestehen will. Bei seinen Auftritten während der Ruhrtriennale wirkt er überhaupt nicht autoritär oder ausgrenzend.
Zurück zum Programm der Ruhrtriennale 2025: Es greift Themen der Zeit auf, aber auch der Vergangenheit, es geht um Krieg, Generationenkonflikt und um Hoffnung. „Verbundenheit ist so wichtig wie noch nie in einer Welt voller feindseliger Spannungen", sagt Ivo van Hove auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Programms. Es ist stark international ausgerichtet mit über 600 Künstlerinnen und Künstlern aus 38 Ländern. Die befassen sich etwa mit Alan Tuning, dem englischen Urvater der künstlichen Intelligenz, der zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Chiffriermaschine der Nazis geknackt hat oder mit einer theatralen Reflektion des Guernica-Bildes von Picasso.
Neben Tanz, Schauspiel, Musiktheater gibt es auch Debatten und Konzerte, ein Abend befasst sich mit Maurice Ravels Bolero, der hier im Techno-Stil bearbeitet wird zu einer Rave-L Party, in der das Publikum auch tanzen kann.
Das Festival läuft vom 21. August bis 21. September 2025 in vier Städten: Bochum, Essen, Duisburg und Gladbeck.
Fünf Fragen an Ivo van Hove
Frage: Was erwartet uns bei der diesjährigen Ruhrtriennale im Jahr 2025?
Ivo van Hove: Ein Programm, das sich mit den Themen beschäftigt, die heute wichtig sind. Dabei hat die Ruhrtriennale ein ganz breites Spektrum von Künstlerinnen und Künstlern, sie kommen aus sehr vielen verschiedenen Ländern, es zeigen sich viele verschiedene Kulturen. Die Vorstellungen richten sich nicht nur an die Happy Few, die Intellektuellen. Für die gibt es auch Progamm, aber ich glaube, dass das Festival Ruhrtriennale auch ein Fest sein soll für alle, für ein breites Publikum.
Frage: Was tragen Sie selbst dazu bei?
Ivo van Hove: Ich selber fange an mit einer Musiktheaterproduktion, die auf der Musik von Frank Sinatra und Nina Simone basiert. Sie heißt: „I Did It My Way“. Es wird gesungen und gespielt von Lars Eidinger, weltberühmt, und einer unglaublichen schwarzen Sängerin: Larissa Sirah Herden. Ich erzähle eine Geschichte über eine Beziehung. Es wird nur ein Satz gesprochen, der heißt „Good Bye“, ansonsten gibt es nur Musik. Eine Frau verlässt ihren Mann, geht in die Welt und entdeckt, was die eigentliche Position von schwarzen Frauen ist. Sie entwickelt sich mehr und mehr zur Aktivistin. Dazu passt die Musik von Nina Simone, während die Musik von Frank Sinatra sich mehr mit dem Mann verbindet, der nicht versteht, warum sie gegangen ist und der in einer Art Sentimentalität hängen bleibt.
Frage: Sie haben einmal einen Kritiker gelobt, der sie als „maximalistischen Minimalisten“ bezeichnet hat. Warum finden Sie diese Charakteristik passend?
Ivo van Hove: Ja, das stand in der New York Times von Ben Brandley, das war der Kulturjournalist von der New York Times. Er hat das über meine Arbeit geschrieben, bzw. die Arbeit meines Teams. Ja, manchmal mache ich sehr große Vorstellungen mit Video, gewaltigem Bühnenaufwand, aber manchmal liebe ich es auch Sachen zu machen, die wirklich minimalistisch sind, die aber trotzdem eine maximale Wirkung haben sollen, emotional, auf menschlicher Ebene. Aber ja: Die Gegenüberstellung von Maximum und Minimum das bin ich.
Frage: Abgesehen von Ihrem Stück, was würden Sie sagen ist der Höhepunkt der Ruhrtriennale 2025?
Ivo van Hove: Es gibt natürlich sehr viele tolle Produktionen. Eine greife ich mal heraus. Es ist eine Vorstellung, die, wie viele andere, sich erst in der Probenphase befindet, ist Oracle, inszeniert von ?ukasz Twarkowski. Es ist ein Stück über die Entstehung der künstlichen Intelligenz von dem Forscher Alan Tuning, der im Zweiten Weltkrieg den Enigma-Code geknackt hat. Das hat den Zweiten Weltkrieg verkürzt. Später hat man in England entdeckt, dass er homosexuell war und hat ihm ein schweres Leben gemacht. Sie haben ihn nie respektiert, was er für die Menschheit gemacht hat. Jetzt wird er als Godfather der künstlichen Intelligenz gesehen. Das wird eine besondere Vorstellung sein. ?ukasz Twarkowski ist ein international hochangesehener Spitzenregisseur.
Frage: In Ihren Anfängen als Regisseur haben Sie Theater an alternativen Orten gemacht. Ist die Ruhrtriennale eine Rückkehr zu Ihren Wurzeln?
Ivo van Hove: Das Theater in Belgien war damals langweilig und nahezu tot. Das wollten wir nicht mehr. Wir haben dann gespielt zum Beispiel in riesigen großen Hallen am Hafen in Antwerpen, aber auch bei Menschen zu Hause oder in einer alten Wäscherei. So habe ich angefangen und es fühlt es sich jetzt an wie eine Zurückkehr nach diesem Moment. Als Künstler selber erfahre ich es immer als ein Geschenk in diesen Hallen der Arbeit zu spielen, hier gibt es eine Umgebung, ein Bühnenbild, das eigentlich niemand erfinden kann.
Die Fragen stellte Martin Burkert.
Foto: Thomas Berns