Übrigens …

Die Lebendigkeit eines (noch) Unvergessenen

„Man muss versuchen, der Öffentlichkeit zu helfen, Musik zu reflektieren“. Die Dokumentation von Gastón Solnicki zeigt eindrucksvoll, wie der 2008 verstorbene Komponist Mauricio Kagel dieses Credo mit Leben füllt. Der Film dokumentiert eine Reise Kagels, der viele Jahre Professor für Neue Musik an der Kölner Musikhochschule war, in sein Heimatland Argentinien im Jahr 2006. Hier wurde ein kleines Festival zu seinen Ehren ausgerichtet, wobei Kagel einige seiner Werke selbst einstudierte.

Im Mittelpunkt des Films steht Kagels Probenarbeit mit dem jungen Ensemble Süden und dem erfahrenen Bariton Roland Hermann an Stücken wie mare nostrum oder 10 Märsche um den Sieg zu verfehlen. Kagel beeindruckt dabei mit seiner Energie, seinem Ernst, seiner Fröhlichkeit, seiner Genauigkeit und seinem Witz. Der Komponist erscheint als eigenständiger, an gesellschaftlichen Prozessen und Entwicklungen des Kommunikationsverhaltens orientierter Denker und Künstler, als intellektueller Schelm und freundliches Idol. Einer sehr professionell arbeitenden Sängerin sagt er – not really amused – auf den Kopf zu, dass sie nicht mit dem Herzen dabei sei, einen Percussionisten animiert er lächelnd („Und dafür waren Sie an der Hochschule, wie?“) zu mehr Hemmungslosigkeit beim Zerreißen von Telefonbüchern. Und am liebsten alles immer „piano!“.

Dieser Fokus auf die Person wird umspielt von Impressionen über das Zustandekommen eines Konzerts. Instrumente werden transportiert, ein Klavierstimmer mit Whiskeystimme hat einen absurden Auftritt und 111 Fahrradfahrer üben Kagels ‚flüchtige Aktion‘ „Eine Brise“ ein, eine Art inszenierten Hochkulturflashmob, der dann zur Eröffnung des Festivals an den erwartungsvollen, teils irritierten, teils animierten Konzertbesuchern in Abendgarderobe vorbei defiliert.
So entsteht ein notwendiges Denkmal eines Komponisten, der den europäischen Musiktheaterbetrieb zwar nicht revolutioniert hat, ihn aber immerhin ein Stück weit geöffnet hat für lustvolle Experimente und drastische Späße. Vielleicht kann „Süden“ dazu beitragen, dass Kagels Werke wieder häufiger auf unseren Bühnen zu sehen sind. Die unkonventionelle Mischung aus Raumexperiment, anarchischem Witz und gesellschaftlichem Engagement, die seine Werke auszeichnet, ist für ein junges Publikum, auf das das Musiktheater der Zukunft ja bekanntlich angewiesen ist, genauso attraktiv wie es multiple, unverbrauchte Impulse für junge Regisseure und Komponisten enthält.