Zwischen Himmel und Hölle
Herbert Wernicke war es, der mich vom Saulus zum Paulus werden ließ, was die Operette angeht. Von mir mit möglichst viel Verachtung gestraft, führte sie ein Schattendasein in den untersten Schubladen meiner musiktheatralischen Interessen – zum Vergessen bestimmt. Aber als dann die Lokomotive das gutbürgerliche Brüssel geradewegs in den Hades führte, war es um mich geschehen. Wernickes Orpheus in der Unterwelt machte mich zum Operettenfan, der das Genre liebt, besonders wenn daraus so gnadenlos gute Gesellschaftssatiren werden.
Allein durch seine Bildersprache konnte er beleuchten und enttarnen. Wernicke war ein Meister des Bildes – suggestiv vermochte er das Publikum in seine Inszenierungen hereinzuziehen und zu fesseln. Und deshalb waren natürlich Barockopern für ihn wie geschaffen. Da konnte er mit Bildern ganze Weltgefüge kreieren, kunstvoll inszenierte Machtvollkommenheit demonstrieren, aber auch deren Schattenseite und menschliche Tragödien – Prunk und Elend waren eins bei Wernickes barockem Welttheater.
Karl-Heinz Ott und Martina Wohlthat beleuchten diesen Aspekt in dem von Christian Fluri herausgegebenen Band : Herbert Wernicke, Regisseur, Bühnenbildner, Kostümbildner. Dieser ein wenig akademisch anmutende Titel ist denn aber auch wirklich das einzig Trockene in diesem Buch, in dem Flury zwischen den einzelnen Texten umwerfende Fotostrecken platziert hat, die die Beiträge erläutern sollen – ein absolut gelungene Melange. Wenn in diesem Fall aber die Fotografien klar die Hauptrolle spielen und die Texte deutlich blass wirken lassen . Das ist aber kein Wunder bei Wernickes magischen Bildern, die sein Schaffen eben aus sich heraus erläutern.
Weggefährten wie Albrecht Puhlmann, der Kritiker Frieder Reininghaus und die Journalistin Martina Wohlthat schaffen eine Retrospektive auf den leidenschaftlichen Opernmacher und beleuchten sein Schaffen von den verschiedensten Blickwinkeln aus.
Albrecht Puhlmann nennt seinen Beitrag: Zwischen Himmel und Hölle der singende Mensch. Der Titel beschreibt einerseits wunderbar Wernickes Affinität zu grandiosen barocken Monumenten, illustriert andererseits aber auch, warum er auch fasziniert war vom großbürgerlichen Salon des neunzehnten Jahrhunderts.
Himmel und Hölle gibt es eben immer und überall.