Du gehst, du singst, du tanzt
Er ist ein Glückspilz – und ein Glücksbringer: Wer je diesen Musiker einmal im Konzert, vielleicht sogar ehrfürchtig in einer Synagoge, erlebt hat, weiß um das besondere Klima, das Giora Feidman erzeugt. Man hat ihn schon mit vielen Titeln bedacht. Vielleicht ist jene Einschätzung, die einmal in der FAZ nachzulesen war, die schönste und aufrichtigste: „Feidman – ein Gesamtkunstwerk, für das es keinen Vergleich gibt.“
Wer ist dieser kleine, unscheinbare Klarinettist, der mit seinem Instrument lacht und weint, zittert und jubelt, kichert und strahlt? Giora Feidman wurde 1936 in Buenos Aires geboren, ging in den 50er Jahren nach Israel, studierte Klarinette „ganz klassisch und akademisch“, wie er schreibt, war Mitglied renommierter Orchester. Er war ebenso zuhause bei von Weber, Haydn, Mozart oder Schubert wie im sinfonischen Jazz.
Doch international berühmt wurde er als „freier“ Klezmorim. Das sind die Musiker der Ostjuden, die zu Hochzeiten und zum Begräbnis aufspielten und dort mit den so kontrastreichen Klezmer-Klängen einen eigenen Gefühlskosmos entwickelten. Feidman trat in fast allen Ländern der Welt auf – und zwar nicht nur als leidenschaftlicher und technisch glänzender Stilist, sondern als Versöhner. Er weiht bis auf den heutigen Tag überall Synagogen ein, wenn sie neu eröffnet werden und eine jüdische Gemeinde dadurch ihren zentralen Religions- und Kulturort erhält. Er will Christen und Juden, Gegner und Freunde unter den Primat der Musik binden. Das ist seine selbst gestellte Aufgabe, die er musterhaft seit Jahrzehnten wahrnimmt. Durch seine Vitalität des Spiels auf dem Holzblasinstrument entreißt er die typischen Lieder seiner Identität der Traditionsfolklore. Es ist die hohe Schule des Klezmergesanges, die er auf der Klarinette anstimmt.
Seine Erinnerungen sind das von Herzen gehende Bekenntnis eines Menschen, der durch Musik möglichst alle und jeden erreichen will: „Weil die sprachlose Musik unsere Seelen erreicht – egal ob in Südamerika, Europa oder in den USA.“ Feidman erzählt von den Stationen seines Lebens, von den Wanderungen und Entwurzelungen, von der Heimat, die er in der Klezmer-Musik fand. Er ist kein großer Wortakrobat, kein bestechender Rhetoriker, sondern seine Biographie berichtet natürlich und unverkrampft – vom beruflichen Alltag. Wie er ihn sich aussuchte… Heute hier, morgen dort – ein Weltreisender in Sachen Klezmer und Klarinette. Er wirkt bei den Konzertauftritten ungemein sympathisch – und so schreibt er auch. Als ein freundlicher Mensch, der viel Glück hatte. Und der den Zeitgenossen davon in jedem Programm ein Stück davon abgibt.
Sein Credo, das er in ein Gedicht zu seinem 65. Geburtstag kleidete, lautet: „Ich habe einen Baum gepflanzt/ und ernte nun die Früchte./ Es war also die richtige Stelle,/ an der ich ihn gepflanzt habe./ Ich sollte noch einen Baum pflanzen.“