Übrigens …

Großer Meister der Kleinform des Balletts

Der große Meister zeigt sich auch im Kleinen. Wie Bach etwa seine zwei- und dreistimmigen Inventionen als Übungen für Klavierschüler komponierte, so liebevoll angemessen für Ballettschulabsolventen und junge Zuschauer, aber gleichzeitig künstlerisch niveauvoll choreografiert Hans van Manen für Introdans for Youth. Die mittlerweile weltberühmte niederländische Truppe mit Stammsitz im NRW-nahen Arnhem hat es sich in vorbildlicher Weise zur Aufgabe gemacht, Kinder mit Witz und Qualität in die Welt des Bühnentanzes einzuführen. 20 von den bisher rund 120 Kurz-Balletten des Meisters der klaren Strukturen und des schnörkellosen Raffinements neoklassischen Balletts hat Introdans bislang einstudiert. Einige davon hat der „Mondrian des Tanzes“ der jugendlichen Kompanie auf den Leib choreografiert. Zum 40-jährigen Jubiläum hat der doppelt so alte holländische Altmeister jetzt sein privates Archiv geöffnet und einen Live-Mitschnitt der Premiere von Mix4Kids am 11. November 2000 auf DVD freigegeben.

18 Miniaturen sind in vier Blöcke unterteilt mit beiläufigen Sammeltiteln wie In and Out oder Bits and Pieces. Viel Pantomime, Akrobatik und Tricks sind im vierteiligen Auftakt Ajakaboembie zu sehen. Sieben Anläufe nehmen die zwölf Tänzerinnen und Tänzer in ihren pastellfarbenen Trikots und Schläppchen danach, sich räumlich zu sortieren.  Sie drängeln und recken sich in einer winzigen Kabine, während direkt nebenan lange Zeit zwei weitere leer bleiben. Sie entdecken die große Freiheit im Raum und finden sich doch wieder paarweise zusammen. Auf Songs von Laurie Anderson und Nina Hagen wirkt dieses Spiel In and Out um Enge und Weite, Nähe und Distanz bei aller Eleganz und Vornehmheit, die van Manens Ballette immer auszeichnen, herrlich verrückt. Die zwei Einschübe Backstage 1 und 2 (gefilmt von Henk van Dijk), die Blicke hinter die Kulissen in den Pausen bieten, passen perfekt zu Bits and Pieces, einer witzigen Ballett-Trainingsstunde mit skurrilem Ballettmeister in grauem Anzug und rotem Hemd, der wie ein eitler Gockel seine gekünstelte Kunst zum Besten gibt, während die Eleven sich mit gekonnten Ballspielen vergnügen und begnügen statt „so was“  zu üben.

Den letzten Schliff geben van Manens Tänzen seit vielen Jahren die Ausstattungen von Keso Dekker. Der geometrischen farbigen Kunst Piet Mondrians nachempfunden sind die Strenge seiner schraffierten, linierten oder reliefartigen Rückprospekte sowie die klaren Farben und Formen der Kostüme. Ein hinreißendes Musterbeispiel dieser kongenialen Kunst von Bühnenbildner und Choreograf ist das Gruppen-Ballett In the Future auf drei Songs von David Byrne. Vor einem horizontal gestreiften Tafelbild tanzt das Ensemble in Ganzkörpertrikots, die vorn grasgrün und hinten tulpenrot sind. Keine klassische Schwanenreihe könnte mehr berauschen in der perfekter Synchronie ihres tänzelnden Vibrierens und der wippenden Tutus als diese rot-grüne Reihe moderner Tänzer im geradezu militärischen „Drill“ der Bewegungsmuster von Hans van Manens Choreografie.