Nüchterne Betrachtungen eines Phänomens
Ich singe mit Leib und Seele, so nennt Marianne Zelger-Vogt die Sammlung ihrer Gespräche mit Vesselina Kasarova. Und das ist ein schöner Titel, denn die bulgarische Mezzosopranistin stellt in keinem Teil des Buches sich selbst in den Mittelpunkt, sondern immer ihren Beruf. Und so ist es folgerichtig, dass all’ die Gespräche thematisch geordnet sind: Die Stimme finden, Selbstbestimmung und Fremdbestimmung etwa, oder Mit der Stimme leben. Aber auch Aspekte wie Medien und Markt werden behandelt.
Diese Einteilung macht Lust, im Buch zu stöbern, zwingt aber nicht zum stringenten Lesen des gesamten Bandes. Die Möglichkeit zum häppchenweisen Aufnehmen des Inhalts gibt Gelegenheit zum gezielten Lesen. Und auch das eher nüchtern, aber höchst illustrative Sinnieren Vesselina Kasarovas zu einzelnen Punkten unterscheidet sich deutlich von vielen emotional bestimmten autobiographischen Erinnerungen. Das ist sehr wohltuend.
Und die formale Gliederung der thematischen Kapitel geht noch weiter. Denn in jedem Kapitel sind wichtige Thesen herausgehoben, die Kasarova dann beispielhaft erläutert oder aus ihren Erörterungen ableitet. Das klingt alles furchtbar theoretisch, ist aber unheimlich anschaulich. Zelger-Vogt gibt Kasarova durch ihre Fragen zwar einen recht engmaschigen Rahmen vor, aber gerade deshalb wird nicht abgeschweift. Die Sängerin konzentriert sich auf das Wesentliche, ohne mit anschaulichen Beispielen zu geizen. Insgesamt entsteht ein sehr lebendiges, nie überhöhendes Panorama vom Beruf der Sängerin Kasarova – ohne Klatsch, Tratsch und Eitelkeiten. Das ist einfach wohltuend und macht Spaß.
Weniger gelungen ist der sich an die Gespräche anschließende biografische Teil. Der besteht aus fünfzig Seiten engmaschiger Faktensammlung, die sehr akribisch alle Karrierestufen der Kasarova auflistet und Privates einflicht. Leider wirkt das Ganze wie ein ausformulierter tabellarischer Lebenslauf und ist in dieser Form nur für Hardcore-Fans interessant.
Insgesamt aber bleiben viele spannende Eindrücke vom „Berufsalltag“ einer Spitzensängerin und die Wohltat, dass hier alle üblichen Standards einer voyeuristischen Selbstentblößung oder eitlen Selbstbeweihräucherung vieler Biografien einfach ausgelassen werden.