Eine einzige emotionale Spannung
Wandrers Nachtlied ist Klammer, Gliederung und Unterbrechung für die Goethe-Vertonungen über Texte zu Frauengestalten, die Marlis Petersen und Jendrik Springer auf ihrer CD „Das Ewig-Weibliche“ vorstellen.
Doch schon in den verschiedenen „Nachtliedern“ wird deutlich, worum es den beiden Interpreten in ihren ausgeklügelt zusammengestellten Programm geht. Nicht vor allem die Vielfalt der Vertonungen derselben Texte soll belegt werden - Petersen und Springer geht es um fein gearbeitete Stimmungsbilder. Und diese gelingen den Beiden meisterhaft. So klingt die Waldesstille ganz harmlos bei Hans Sommer, voller Todesahnung dagegen bei Robert Schumann, wie auf einem Landschaftsgemälde bei Charles Ives und schon bedrohlich bei Nicolai Medtner. Sängerin und Pianist können gestalterisch sich ganz individuell profilieren, sind aber auch ein bestens aufeinander abgestimmtes Duo, das pointierter Interpretation den Vorrang einräumt vor musikalischer Schönheit. Da wird nichts geglättet oder gerundet. Ecken, Kanten, Irritationen in der Gefühlswelt finden statt - und sollen das ja auch.
Das gilt insbesondere auch für die titelgebenden Lieder: Goethes Frauenfiguren. Hier besticht vor allem Manfred Trojahns Vertonung von Texten aus Faust II zur schönen Helena: Bewundert viel und viel gescholten. Trojahns so wunderbar klangliche, fast sprechende Musik offenbart die ganze Verzweiflung einer Frau, die für ihre Liebe alle Konventionen hinter sich gelassen hat und sich nun fragt, ob ihre Entscheidung richtig war. Wie Petersen da die ganze emotionale Bandbreite entfaltet ist einfach fantastisch, wie sie ihre Stimme bis fast zum Brechen fragil werden lassen kann, erzeugt Dauergänsehaut.
Doch Petersen und Springer können auch aus vermeintlich schlichteren Liedern Tiefe schürfen und enthüllen so die ganze Verletzlichkeit von Alphons Diepenbrocks Mignon (Kennst du das Land). In Fanny Hensels Ach um deine feuchten Schwingen klingt dagegen wieder die pure Sehnsucht.
Begonnen hat die Reise in Goethes Frauenwelten mit Ernst Kreneks emotional sehr dichtem Stella-Monolog Du blühst schön. Und das ist diese ganze CD bis zu Trojahns Lied: eine einzige emotionale Spannung, die kaum einmal nachlässt und so zu einer großartigen Werbung für die Kunstform Lied wird.