Übrigens …

Ungewöhnliche Fernsehübertragung

Es ist das Dokument einer Kuriosität, die mit 50 Jahren Abstand reichlich absurd anmutet, im Opernbetrieb des Jahres 1962 aber mutmaßlich gar nicht so weit von der Normalität entfernt war.

Renata Tebaldi, gefeierte Starsopranistin der Met und von ihrer Plattenfirma zur harmonischen Gegenfigur der Callas aufgebaut, hatte sich bereit erklärt, eine einzige Vorstellung an der Deutschen Oper Berlin zu singen – natürlich inklusive Live-Übertragung im Fernsehen. Tebaldi entschied sich für Verdis Otello. Die Desdemona galt als eine ihrer besten Rollen, sie hatte ihr unter anderem ein triumphales Met-Debut beschert.

So weit, so gut. Allerdings hatte die Deutsche Oper Berlin weder eine spielbare Otello – Inszenierung im Fundus noch die Kapazitäten – die Uraufführung von Henzes Der Junge Lord stand unmittelbar bevor – für eine reguläre Neuproduktion. Also wurde Hans-Peter Lehmann, der Assistent des Intendanten Sellner und später selber renommierter Regisseur und Intendant (u. a. in Hannover), beauftragt, das skurrile Problem zu lösen. Er versicherte sich der Unterstützung des Bühnen- und Kostümbildners Wilhelm Reinking, der schon fünf Otellos ausgestattet hatte. Das Ergebnis waren wenige Objekte im riesigen Raum, was auf das Stück gar nicht schlecht passt. Probezeit für den Chor gab es auch keine, also sang dieser auf Deutsch. Alle Solisten sangen, vor allem als Verbeugung vor dem berühmten Gast, italienisch – übrigens auf sehr gutem Niveau.

Lehmann erzählt die Geschichte in stilisierten Standardgesten, aufs Wesentliche konzentriert und phasenweise auch mit szenischer Phantasie. Hans Beirer, vor allem bei Wagner zuhause, nimmt sich mit seiner gewaltigen, bronzen timbrierten, manchmal ein wenig trockenen Stimme, der Titelfigur an. Er singt sie mühelos und kultiviert, allerdings ein wenig robust, insgesamt eine stimmliche Leistung, die in einer heutigen Theatervorstellung Jubelorkane auslösen würde. Als Jago stellt sich der junge amerikanische Bariton William Dooley dem Berliner Publikum vor, der das Ensemble des Hauses in der Bismarckstraße bis in die 80er Jahre entscheidend mitprägte. Sein Bösewicht besticht durch stimmliche Frische und kalte Eleganz, die erst in der letzten Szene kippt. Die Sänger der Nebenrollen halten das vorgegebene Niveau nicht ganz.

Im Zentrum steht natürlich Renata Tebaldi. Sie wirkt etwas ältlich und bewegt sich, Folge einer Erkrankung an Kinderlähmung, sehr behutsam. Dennoch nimmt ihre Ausstrahlung unmittelbar gefangen. Schlichte menschliche Größe erlebt man gepaart mit stimmlicher Reinheit. Ganz frei schwingt die Stimme im „Lied an die Weide“, ganz versammelt, ganz gefasst im Gebet.

Dieser merk- und denkwürdige Otello ist, wenn nicht theatralisch, so auf jeden Fall historisch wesentlich, ist er doch das bisher einzige filmische Dokument von Renata Tebaldis Theaterarbeit.