Schubert und Mozart: ganz ernst
Von Konstanze Eickhorst, der Klavierprofessorin aus Lübeck , weiß man seit langem, dass sie eine „ernste“ Künstlerin ist, dass sie gern Klischees des scheinbar „Leichten“ und „Liebenswerten“ zerrupft, dass sie die dunklen Seiten eines Komponistencharakters mindestens ebenso zum Klingen bringt wie die hellen, schwebenden oder leichtfüßigen. Das gilt vor allem für die Werke von Wolfgang Amadeus Mozart. Wenn sie sich also für ein neues CD-Format mit einem fünfteiligen „Mozart in Moll“ entscheidet, dann liegt ihr das durchaus nahe. Sie muss sich in die Melancholie der Harmonien und die „brüchigen“ Strukturen seiner „molligen“ Fantasien und Sonaten nicht hineinquälen. Ihr Zugang zu den jeweils zwei Sonaten und Fantasien sowie zum Rondo KV 511 setzt jedoch einen Kontrapunkt zum heiteren, jungenhaften, zuweilen sogar schelmischen Mozart. Sie atmet in ihren schlüssigen, logisch aufgebauten Interpretationen das Klima der Schatten, sie sieht in diesen musikalischen Landschaften wolkenverhangene Zonen, sie grübelt in Geste und Akkorden, in Entwicklungen und Steigerungen über das Leben mit seinen seelischen Verhüllungen oder gar Rissen. Sie steigt in psychologische Tiefen – ohne dass man es am poetischen Fluss ihrer Vorträge sofort als bedrückend oder als düstere Warnung vor den Hürden des Alltags empfindet.
Und diese Einschätzung, dieses Verständnis von Musik aus früheren Epochen lässt sich auch auf Franz Schubert übertragen. Seine Wanderer-Fantasie oder seine Sonate c-Moll aus der biographischen Endphase übernehmen diese Position, die bei Mozart mit glühender Lyrik aufleuchtet. Auch (oder gerade!) bei der Romantik. Schubert mit seiner brüchigen Sensibilität trifft Konstanze Eickhorst, die in Bremen aufwuchs und bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover die wichtigste Hochschul- und Lernzeit durchlief, diesen Ton einer Zwischen-Kultur – Musik zwischen Zeitbezug und tiefer Erkenntnis, zwischen Vision und subtiler Emotion, bei der immer die Niederlage mitschwingen könnte. Diese Pianistin nimmt den Hörer (weniger den genießenden Konsumenten) mit auf eine Reise zu schwierigen Stationen, sogar zu Krisenmomenten der jeweiligen Komponisten. Und welcher Musiker ist schon frei davon?
Doch soll die Rezension der beiden jüngsten Einspielungen der technisch und intellektuell bravourösen Konstanze Eickhorst nicht den Dauer-Eindruck von Trauer-, Klage- oder Todesklängen wecken. Die Solistin kann auch mit Lust über die schwarzweißen Tasten jagen (Wanderer-Fantasie), kann auch das Elegante in den Mittelpunkt rücken (Rondo a-Moll), kann auch die pure Virtuosität mal laufen lassen (Schuberts Moment musicaux) – aber nimmt man den Grundton wahr, dann bleibt man dort, was eingangs schon mit dem typisch deutschen Begriff der „ernsten Musik“ gemeint war. Sie widersetzt sich erfolgreich dem Gedanken, dass Musik Herz und Seele in hübsche Watte verpackt. Denn diese räumt sie konsequent und ambitioniert weg – bei Mozart wie auch bei Schubert.