Übrigens …

Quintett als orchestrale Magie

Heinrich Kaminski (1886 – 1946) zählt zu den kulturpolitischen Opfern des Nazi-Regimes. Da er wegen einer Namensähnlichkeit mit einem jüdisch „belasteten“ Prof. Kamienski angeprangert wurde, strichen die Nationalsozialisten seine Musik aus den Programmen. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden seine Werke immerhin noch von Dirigenten bis zu Wilhelm Furtwängler oder Bruno Walter akzeptiert. Da drei Kinder mehr oder weniger mittelbar durch die Kriegskatastrophe umkamen, starb der in München beheimatete Komponist und Dozent letztlich an der Tragik seiner familiären Biographie: am gebrochenen Herzen. Das war 1946 – und Kaminski geriet bald darauf ins kollektive Vergessen. Einige Anläufe wurden von Musikwissenschaftlern und Dirigenten im Laufe der Jahrzehnte unternommen, doch eine breite Aufmerksamkeit konnten seine zunächst gefeierten Werke – ein Concerto grosso, das Tanzdrama für Orchester, die Ballade für Waldhorn und Klavier, die Opern Jürg Jenatsch und Das Spiel vom König Aphelias, Orgelkompositionen oder der 69. Psalm für Tenor, (Kinder-)Chor und Orchester beispielsweise – bei diesen späteren Überprüfungen nicht erreichen.

Nun also geht der brasilianisch-dänische Dirigent Lavard Skou-Larsen mit der von ihm seit 2004 geleiteten Kammerakademie Neuss noch einmal auf die Kaminski-Rarität zu. Vielleicht ist dieses Werk für Streicherorchester, eine Bearbeitung (1927) von Kaminski-Schüler Reinhard Schwarz-Schilling eines Streichquintetts von 1919, das typischste und überragende Werk eines Neoklassikers und Spätromantikers. Denn in diesen fast sechzig Minuten entfaltet dieser Tonschöpfer eine Klangwelt, die ebenso von subtiler kammermusikalischer Raffinesse wie von orchestraler Assoziations-Magie lebt. Sicher, etwas Zeitgeist mag den Pfitzner-Nachfolger als Professor in Berlin auch aktiviert haben, doch die vier Sätze, vor allem die große pathetische Schlussfuge, weisen Kaminski als diszipliniert arbeitenden Feinstilisten und als die dichte Intensität auslotenden Maestro aus. Zugegeben, das Opus erschließt sich für heutige Ohren nicht rauschhaft oder gar melodienselig, aber die Anklänge an Orff oder Pfitzner dürfen nicht als Kopistenhandwerk gedeutet werden. Kaminski hat nicht nur hier unterstrichen, dass er in allen Genres (Kammermusik, Chormusik, Lied) ein originäres Verhältnis zu Form, Dynamik, Harmonien und Klang besitzt und diese Gabe auch handwerklich-praktisch an den Tag legt.

Deshalb: Man darf Skou-Larsen und dem rheinischen Akademie-Ensemble dankbar sein für eine eloquente, leuchtende und über weite Strecken sogar mitreißende Einspielung sein. Kaminski, der Vergessene zwischen den Zeiten und den deutschen Krisen, hat diese zielgerichtete Erinnerung wahrlich verdient.