Übrigens …

Mit spöttischer Distanz

Ludwig Marcuse legte 1963 eine an sich klassische Biographie über Richard Wagner vor, die jetzt aus Anlass des Jubiläumsjahres wieder aufgelegt wird. Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt und ist am Komponisten, zumindest in dieser Publikation, nur am Rande interessiert. Marcuse ist in der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts spürbar zu Hause, schließt Wagners Biographie etwa knapp und schlüssig mit denen von Marx und Schopenhauer kurz, ohne dafür tatsächliche Begegnungen zu „benötigen“.

Absolutes Alleinstellungsmerkmal des 300seitigen Buches ist – neben enormer Detailkenntnis – der süffisant-ironische Tonfall. Plausibel und fesselnd zeigt Marcuse Richard Wagner als Monster der Maß- und Rücksichtslosigkeit und als unendlich eitles Genie der Selbstinszenierung. Vor allem, um sich selbst zu befriedigen, so scheint es, strickt hier der sächsische Komponist einen Mythos um sich, der ihm, vor sich selbst, das Recht gibt in Luxus zu leben und gleichzeitig die Macht des Geldes zu verteufeln. Faszinierend beschreibt der Autor, wie Wagner diesen Mythos mit immer neuen Ideologien füllt, die er sich nur zu diesem Zweck anverwandelt, von Revolution bis Monarchismus, von Antisemitismus bis Deutschtum, von Vegetariertum bis Frauenbeglückung. Staunend und bissig zeichnet Marcuse nach, wie Größen wie Liszt und Nietzsche nicht nur auf diese Inszenierung hereinfallen, sondern selbst nach Demaskierung derselben nicht wirklich davon loskommen.

Viel Raum und besondere Sorgfalt verwendet Marcuse auf die Begegnungen mit Ludwig II. und Cosima. Die Beziehung zu ersterem beschreibt er als „Irrgarten von Abhängigkeiten“, von Ludwigs Seite her geradezu als sadomasochistisch. Er stellt zwei fast komplett egomanische Schwarmgeister einander gegenüber, die sich gegenseitig aussaugen wollen. Wagner wittert unbegrenzte Mittel und einen Nacken, der seinen Fuß auf dem Weg zum Ruhm stützt, Ludwig sucht Idol, großen Bruder und die Tür zur Flucht aus der Welt.

Noch differenzierter wird die Beziehung zu Cosima geschildert, die das Leben ihres im Prinzip lebensfernen Idols in ökonomisch prosperierende Bahnen lenkt und nach Wagners Tod in absurder Weise versucht, gleichsam das abgelegte Genie-Ornat ihres Gatten überzustreifen.

Es ließen sich noch viele Einzelheiten und kluge Schlüsse dieses sprachlich brillanten Buches vorstellen, an dem, das sei nicht verschwiegen, zumindest stellenweise der Zahn der Zeit genagt hat. Eine Leseempfehlung ist es allemal, für den „Wagner-Anfänger“ wie den Gut-Informierten, der hier sicher mit Informationen und Betrachtungsweisen versorgt wird, die er noch nicht kennt.