Übrigens …

Spaß mit Trash

Die Singphoniker, sechs inzwischen nicht mehr ganz junge Männer mit fabelhaft aufeinander zugehenden Stimmen, haben sich nicht lange mit der Tradition vokaler Teams à la „Comedian Harmonists“ aufgehalten. Sie haben schon deren innovative Impulse zunächst weiter getragen – doch dann nahmen sie die Gabelungen der Musikstile quer durch die Zeiten für sich in Anspruch. Schubert hier, Villa-Lobos dort oder Madrigale von einst und dann der Sprung zu Orff ins 20. Jahrhundert. Und nun gehen sie mit neuem Gesang wieder eine Stufe weiter. Sie begegnen gewissermaßen ihrer eigenen Vergangenheit. Denn der Münchner Komponist (und Musikprofessor) Enjott Schneider, 63, hierzulande bestens eingeführt durch Aufführungen am Musiktheater im Revier, schrieb für das Sextett drei Werke, die so ungewöhnlich wie frech, so schräg wie lakonisch sind.

Im Morgenstern-Liederbuch (für Stimmen und Orchester) vertont Schneider sieben witzige, groteske, absurde Gedichte des Lyrikers (und späteren Anthroposophen-Mystikers) Christian Morgenstern – eine Erinnerung an einen Schriftsteller, der dadaistische Tendenzen für sich in Anspruch nimmt, aber auch äußerst ernsthaft und weise den banalen Alltag in aphoristischer Kürze spiegelt. Der Bayer besitzt einen völlig unproblematischen Zugang zu dieser besonderen Welt eines Poeten, der scheinbar auf alle Trivialitäten seinen Reim machen kann. Einfach weil er hinhört auf die Pointen des Wortes und des Begriffes und daraus klangliche Funken schlägt. Und dabei noch eine eigene Sprache (er-)findet. Anklänge an die Harmonists-Songs oder auch an die Carmina-Kultur liegen vor. Aber Schneider rückt dieses Liederbuch ganz in die Gegenwart.

In den Variationen über die Liebe setzt er auf klassische Rhythmen und Tänze (beispielsweise auf die italienische Kantilene, auf das Wiener Scherzo oder auf den südamerikanischen Tango).

Im jüngsten Opus „Chatroom“ greift er die Kürze und Anonymität der Cyberworld auf und karikiert ironisch, nie jedoch zynisch, die Verwerfungen bei Anbahnungsgesprächen zwischen Männlein und Weiblein via SMS, Mails oder Chatrooms. Abkürzungsorgien musikalisch übersetzt – hinreißend, wie die Singphoniker diese nur scheinbar vertrackte Aufgabe so schnell wie griffig lösen.

Dreimal zeitgenössische Vokalmusik, die kaum Vergleichbares kennt – und durchaus hohen Ansprüchen an Gesang, Technik und Stimmenbalance gerecht wird. Die Singphoniker machen sich einen Genießer-Spaß aus diesen Trash-Liedern. Denn Schneider verwertet alles, was ihm als Klassik- oder Pop-Müll zwischen die Finger gerät. Mit leichter Eleganz ersingen sie sich das neue Repertoire. Und die Deutsche Kammerakademie Neuss tut ein Übriges, um die Schneider-Klänge sensibel auszuhören. Auch diese Musiker freuen sich über die Abwechslung vom „normalen“ klassischen Orchesteralltag. Sie besitzen die nötige Flexibilität.