Übrigens …

Unendliche Gefühle

Christoph Willibald Gluck fand in ihm einen perfekten Interpreten für seinen Orfeo: der Soprankastrat Giuseppe Millico rührte in Parma im Jahre 1768 sein Publikum mit „Che farò senza Euridice“ zu Tränen und nur folgerichtig schrieb Gluck eineinhalb Jahre später für Millico die männliche Hauptrolle in Paride ed Elena, die in Wien uraufgeführt wurde.

Nach seiner Gesangskarriere, die ihn durch ganz Europa bis an den St. Petersburger Hof der Zarin Elisabeth führte, wirkte er bis zu seinem Tode in Neapel als Komponist und Gesangslehrer. Millico ist heute weitgehend vergessen – da überstrahlt ihn der (zugegeben etwas zweifelhafte) Ruhm einer seiner Schülerinnen, der skandalumwitterten Lady Hamilton, um einiges.

Ähnlich unbeachtet ist heute Antonio Sacchini, der es in London zu einigem Erfolg mit seinen Opern brachte, bevor sein Stern am Pariser Hof Marie Antoinettes zu sinken begann und weitestgehend verlosch.

In London gelang Sacchini mit seiner Oper Il Cid ein großer Erfolg – mit Giuseppe Millico in der Titelrolle. Die Begegnungen Millicos mit Sacchini und Gluck nutzt einer der Senkrechtstarter der Countertenor-Szene Valer Sabadus als (zugegeben etwas wackelige) Klammer, um Arien beider Komponisten auf seiner soeben erschienenen CD zu präsentieren.

Das Konzept der CD aber wird schnell klar: Sabadus geht es hier nicht darum, dem Recital-Reigen einen weiteren Querschnitt der „Barock-Highlights“ hinzuzufügen oder noch einen Parforce-Ritt durch kraftstrotzende Koloraturen zu präsentieren. Dass er das auch kann, stellt er - ganz nebenbei - in Sacchinis „Placa lo sdegno o cara“ unter Beweis.

Aber Valer Sabadus macht in diesem Projekt etwas Anderes zum Mittelpunkt: den Ausdruck von Seelenzuständen mittels Aussingen von Linien und Bögen. Das demonstriert er zu Beginn mit Glucks „Oh mio dolce ardor“ und ganz besonders mit „Tutto qui mi soprende –le belle immagini“ aus Paride ed Elena. Sabadus singt unsagbar sanft, ganz ohne merkbaren Druck. Da ist kein Flattern, keine Abgelenktheit zu verspüren – da ist nur Gefühl. Da ruht er ganz in sich. Wunderbar!

Instrumentaler Partner von Sabadus ist die Hofkapelle München unter Leitung von Alessandro de Marchi, selbstverständlich „historisch informiert“ und mit virtuos packendem Zugriff auf all die Musik, in der es gern auch schon mal kracht, in denen die Funken fliegen wie in Glucks Don Juan ou le Festin de Pierre.

Fazit: Eine CD zum Zuhören und Versinken!

Wer das live tun möchte: am 9. November stellen Valer Sabadus und die Hofkapelle ihre Produktion im Düsseldorfer Opernhaus vor. Denjenigen, die dann verhindert sind, sei unbedingt empfohlen, sich am gleichen Ort den in seiner Rolle als Xerxes unglaublich beeindruckenden Sabadus anzusehen in Stefan Herheims berauschender Inszenierung der Oper Georg Friedrich Händels.