Übrigens …

Klangsatter Verdi

Ein vergnügtes Raunen samt Szenenapplaus geht quer durchs Parkett und sämtliche Ränge der New Yorker Met, als sich im 2. Akt von Verdis Falstaff der Vorhang hebt. Kein Wunder, denn was da überraschend sichtbar wird, dürfte so ziemlich jedem im Publikum sehr bekannt vorkommen: eine Küche wie aus längst vergangenen Tagen, mit allem möglichen Schnickschnack wie Toaster, Transistorradio oder Cocktail-Shaker, natürlich mit großzügig dimensionierten Schränken, ordentlich in orange und gelb gefliesten Kachelwänden und chromblitzender Esstisch-Gruppe - die 1950er Jahre lassen grüßen!

Zwar liegt die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zu der Zeit gerade erst zurück, aber es geht längst aufwärts. Jedenfalls für Leute wie Mr. und Mrs. Ford. Man kann sich gewissen Luxus leisten – eben auch eine megamoderne Küche, in der Mrs. Ford und ihre Freundinnen alles vorbereiten, um Falstaff eins auszuwischen. Herrlich, wenn dieser dann in seinem antiquierten knallroten Reiter-Outfit angetrippelt kommt, hoffend auf das verabredete Schäferstündchen. Der Mann ist ganz klar Repräsentant einer anderen, längst vergangenen Welt! Von dem monströsen Truthahn, den Mrs. Ford da gerade in den Backofen schiebt, wird er nicht viel abbekommen – aber das kann er nicht ahnen. Ebenso wenig, dass er bald schon in der Themse landet.

Regisseur Robert Carsen hat Giuseppe Verdis Falstaff schon einmal in die 1950er Jahre verlegt: in seiner Kölner Inszenierung von 1997. Was damals funktioniert hat, klappte ein zweites Mal auch an der Royal Opera London, für die Carsen in der Spielzeit 2012/2013 tätig wurde. Diese Produktion ging von dort aus nach Mailand, Amsterdam, Toronto – und eben auch an die Met, wo James Levine sie dirigierte. Ein Mitschnitt vom Dezember 2013 ist jetzt als DVD im Handel.

Carsen setzt ganz auf das Komödiantische dieser Shakespeare-Geschichte rund um den dickleibigen Sir John, schaut sich genau die Beziehungen der Figuren untereinander an, lässt keinen Zweifel aufkommen, dass all die Ränkespiele motiviert sind von großer Lust auf sie – und von jeder Menge großer Gefühle. Davon versprüht das singende Personal geradezu verschwenderisch viel, und dies durch die Bank hindurch! Großartige Ensembles sind da zu erleben, etwa in der Gartenszene vor dem Hause Fords oder während der von Carsen virtuos inszenierten Fahndung nach dem Liebesabenteurer. Und fantasievoll angelegte Bilder, mitunter urkomisch wie die mitternächtliche Szene im Park von Windsor mit all den schrägen Typen, die sich dort einfinden.

Gesungen und gespielt wird ganz ausgezeichnet! Von Ambrogio Maestri, diesem Ideal-Falstaff mit durchaus guten Manieren, aber nicht mehr ganz so einfach auszulebenden amourösen Ambitionen. Was Maestri da an expressiven Feinheiten in seine Rolle legt, ist unglaublich. Umwerfend gibt Stephanie Blythe die Mistress Quickly - mit einem atemberaubend weiten stimmlichen Mezzo-Ambitus und überreichen Klangfarben. Maestri und Blythe - diese beiden seien exemplarisch genannt für ein Falstaff-Ensemble der Extraklasse!

 

Mit dem Pfund von Luxusstimmen wuchert auch die Met-Inszenierung von Verdis Macbeth. Die hat Regisseur Adrian Noble dort zwar schon 2007 realisiert, kommt aber jetzt erst als Mitschnitt der Wiederaufnahme vom Oktober 2014 auf DVD heraus. Mit Anna Netrebko als machtgeiler Lady Macbeth, Zeljko Lu?i? als willfährigem Macbeth und René Pape als Banco, bei dem man nur bedauern kann, dass er nach siebzig Minuten auf der Bühne diese als Toter verlässt. Später bekommt der fabelhafte Joseph Calleja als Macduff seinen kleinen, aber intensiv angelegten Auftritt mit der Trauer-Arie im 4. Akt. Alles in allem ein perfektes Ensemble von großer stimmlicher wie darstellerischer Ausstrahlung. Dass Anna Netrebko sich mit der Lady Macbeth womöglich im falschen Fach bewegen würde, widerlegt sie eindrucksvoll. Und Verdi-Experte Zeljko Lu?i? – er war schon bei der Premiere 2007 mit dabei – durchlebt seine Partie nachgerade, lässt all die Brutalität, aber auch die persönlich durchlittene Schuldigkeit erfahrbar werden, mit der er sich den Weg zur Macht bahnt.

Das Szenische dieser Produktion wirkt eher bescheiden, mitunter sogar reichlich klischeehaft. Wie oft lässt Adrian Noble die Hände gen Himmel recken, ob von Lady Macbeth oder dem Chor der Hexen, wie oft steht das Personal in Sieger- oder Verliererpose vorn an der Bühne... Viel Dynamik oder gar spannende Bilder bietet Noble nicht. Eher Banales wie die Stuhlreihe, über die Lady Macbeth bei ihrer Schlafwandelszene schreitet. Oder Konventionelles wie das blutüberströmte Bett, auf dem der erdolchte König Duncan davongetragen wird. Eine Regiearbeit also, die nun wirklich niemanden vor den Kopf stößt.

Fabio Luisi am Pult des Metropolitan Opera Orchestra entwickelt zusammen mit den Sängerinnen und Sängern die nötige Dramatik und Spannung, legt auch stets die richtigen, oft dunklen und bedrohlichen Farben auf. Da bleiben keine Wünsche offen, das ist Verdi mit Sogwirkung!