Übrigens …

Musik für die Seele

Rund 600 Filmmusiken hat er geschrieben, acht Opern von ihm wurden bereits uraufgeführt, „nebenbei“ entstanden aber auch Kompositionen für Orchester, Solo-Instrumente, für Orgel und für kammermusikalische Besetzungen. Das heißt in diesem Fall: Enjott Schneider, langjähriger Professor für Musiktheorie und Kirchenmusik (!) an der Münchner Hochschule, zählt längst zu den erfolgreichsten deutschen Komponisten der Gegenwart. Auch als Funktionär (Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrats, Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA hat er sich Sporen verdient.) Woher holt er nur die erforderlichen Energien, die Zeit, die Inspiration und den enormen Fleiß für seine ganz unterschiedliche Tagesproduktion?

Auf dieser CD reduziert er seine Kompetenz auf drei Orchesterstücke, deren Obertitel er als „Seelengemälde“ bezeichnet: das Violin-Konzert Earth´s Eyes ( 2014, Augen der Erde), Dr. Jekyll & Mr. Hyde, Konzert für zwei Celli und Streichorchester (2013), und Sisyphos als Sinfonie Nr. 2 für Percussion und Orchester (2007). Was sie vereint, unterstreicht den Kernsatz, den Norbert Jürgen (zusammengefasst „Enjott“) Schneider schon oft bei Gesprächen und Symposien wiederholt hat: „Musik der Zukunft ist die Musik zu Bildern.“ Also zum Hören kommt das Sehen als Einheit, gefragt seien bildhafte, erzählerische Klänge, stilistisch mischende Werke – aus dieser Sicht sind die drei hier vorgestellten Kompositionen des 66-Jährigen (geboren in Weil am Rhein) mustergültig und eben Belege für Schneiders Musikverständnis.

Bei den Augen der Erde widmet er sich drei landschaftlich extrem schönen Seen (Königs-, Mond-, Gardasee). Die Musik, vor allem die der Solo-Violine (Ingolf Turban), malt die Natur – exzessiv, lyrisch oder auch spiegelnd wie das Steinchen-werfen-Prinzip auf der Wasseroberfläche. Bei Jekyll & Hyde wandert Schneider durch die Kontraste von Gut und Böse, von Melancholisch und Dramatisch, dabei ständig neue Seiten eines Charakters erkennend und verdichtend. Der Komponist verteilt Licht und Schatten eines Menschen als Seelenmusik auf zwei Celli, die musikalisch miteinander verkettet sind – zwei Linien, ein „Fall“. Die großformatige Sinfonie mit vorauseilendem, auftrumpfendem Schlagzeug „erklärt“ den Mythos von Sisyphos als philosophischen Dialog zwischen Utopie und Wirklichkeit, Hoffnung und Scheitern, Glück und Schmerz. Eine im Wesen ganz menschliche Musik!

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter dem Dirigat von Wolfgang Lischke ist ein kongenialer Partner für die Farbenpalette Schneiders, der nahezu alle Register zieht – und sie auch stilistisch beherrscht. Lischke dokumentiert einmal mehr sein gutes Verhältnis zur Moderne. Neben dem schon genannten Geiger Ingolf Turban wirken als Solisten die Cellisten Wolfgang E. Schmidt und Jens P. Maintz sowie der Schlagzeuger Johannes Fischer mit: sie alle kennen sich in der Metaphorik Schneiders bestens aus.

Enjott Schneider ist im Ruhrgebiet seit vielen Jahren ein bekannter Komponist: Er schrieb die Musik zum Experimentalstück Salome-Prinzip und zum Musical 04 – Keiner kommt an Gott vorbei, die beiden Bühnenwerke wurden am Musiktheater im Revier uraufgeführt.