Übrigens …

Kontrovers aufgenommen

2015 - das war Katharina Wagners neunte Saison als Chefin vom Bayreuther Grünen Hügel, auf dem sie mit den Meistersingern ihren Einstand gegeben hatte. Eine umstrittene Regiearbeit - was ja erst einmal nichts Schlechtes bedeutet. Zwiegespalten war die Kritik an Katharina Wagners Opern-Deutungen danach immer mal wieder, auch im letzten Jahr nach ihrem Tristan, der das Ende von Katharina Wagners Inszenierungspause (seit 2011) markierte. „Unlogisch, dumm, naiv und langweilig“ urteilte ein Kollege nach der Premiere, als „bewusstseinserweiternde Hörgeschichte im Kopf“ empfand es ein anderer. Gut, wenn übers Regietheater heftig diskutiert wird! Noch besser: man bildet sich sein eigenes Urteil, etwa anhand der jetzt vorliegenden DVD-Produktion. Aufnahmetechnisch werden die Sängerinnen und Sänger bevorteilt: sie rücken klanglich sehr in den Vordergrund, Christian Thielemanns höchst emotional aufgeladener Orchester-Sound bleibt mitunter schemenhaft im Hintergrund. Trotzdem bekommt man einen insgesamt guten Eindruck vom Geschehen, bisweilen aus überraschenden Kameraperspektiven, die einzig eine solche DVD-Produktion möglich machen kann, etwa der Blick aus dem Schnürboden nach unten auf die Bühne.

Treppen, Gänge und Aufzüge, die sich zu Gerüsten formen, wirken im ersten Akt als Metapher der Ausweglosigkeit; geliebt wird – im zweiten Akt – im Knast! Jenem, in dem König Marke das Sagen und das Kommando über permanente Beobachtung hat. Was Tristan und Isolde nicht daran hindert, ganz ungeheimnisvoll ihre Nacht der Liebe herniedersinken zu lassen... Dritter Akt: Kareol. Ein fiebernder Tristan mit Traumvisionen – und ganz am Ende kein gnädiger Liebestod für Isolde, sondern die Nötigung, an des grausam-zynischen Königs Markes Seite ein fremdbestimmtes, wohl kaum angenehmes Leben führen zu müssen.

So fies er hier seine Rolle zu spielen hat, so grandios setzt er sie gesanglich um: Georg Zeppenfeld als Marke. Eine Wucht! Wieder einmal. Hat es in den letzten Jahren irgendein Rollenporträt gegeben, das von ihm nicht hundertfünfzigprozentig ausgefüllt worden wäre, egal ob Wagner, Verdi oder irgend ein anderer? Evelyn Herlitzius ist Evelyn Herlitzius: kraftvoll, konditionsstark, ein Energiebündel. Und deshalb kracht ihre Stimme - manchmal. Das aber passt (bei ihr) zur Rolle! Stephen Gould ist ein Tristan, der souverän über sein Organ gebietet, ohne ihm ein Ausbund an verschiedenen Farben zu entlocken. Ganz ausgezeichnet Christa Mayer als Brangäne von kerniger Statur. Iain Paterson (Kurwenal), Raimund Nolte (Melot), Tansel Akzeybek (Hirt/Seemann) und Kay Stiefermann (Steuermann) – auch auf sie alle ist absolut Verlass!

Christoph Schulte im Walde