Lustvolle Reflexion über Wirklichkeit und Lüge
Bei der Uraufführung, 1948 in Paris, galten Les mains sales (Die schmutzigen Hände) aus der Feder des erklärten Kommunisten Jean-Paul Sartre aufgrund von dessen Kritik an der Partei als antikommunistisch. Und als das Stück kurz darauf im geteilten Berlin seine deutsche Erstaufführung erlebte, wurde es von der russischen Besatzungszone als antikommunistische Attacke rezipiert. Die schmutzigen Hände eröffneten den Kalten Krieg der Theater im Ost- und Westteil der Stadt.
Im Gegenwartsdrama der letzten Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs sucht der junge, großbürgerliche Hugo in der kommunistischen Partei einen neuen Lebenssinn. Er wird auserwählt, den Parteiführer Hoederer zu ermorden. Aber als dessen persönlicher Sekretär ist er von dem Politiker zusehends fasziniert. Emotional umgestimmt, führt er sein Attentat erst aus, als er seine Frau mit dem Politiker in Flagranti ertappt.
Sartres Spielvorlage erweist sich bei der szenischen Wiederbegegnung als ein sehr gut gebautes, in der Psychologie der Figuren wie in der überzeitlichen Aussage jung gebliebenes Stück.
Zahlreiche Sätze lesen sich so, als zielten sie auf gerade aktuelle politische Probleme, insbesondere die Verkettung öffentlicher Zielsetzungen mit persönlichen Interessen. Der in zahlreichen Facetten ausgetragene Diskurs, ob und in wie weit Lüge auf der Bühne, wo doch alles Spiel ist, stattfinden kann, erweist sich als köstliche dramaturgische Vorgabe, deren Ausführung herzhaftes Lachen des Publikums nicht ausschließt.
Die junge Regisseurin Jette Steckel hat Sartres Spielvorlage mit Detailliebe umgesetzt und macht – trotz bizarrer Regieeinfälle – den Handlungsverlauf stringent deutlich. Auf der Drehbühne kreisen in Florian Lösches Ausstattung vier mal vier silbergraue Wände, die, zumeist rechtwinklig mit einander verbunden, ebenfalls drehbar sind und eine Fülle von Raummöglichkeiten eröffnen. Spät, gegen Ende des Stückes, werden die Wände als leere Seiten eines Buches gedeutet, mit einer Vielzahl der auf „ismus“ endenden Worte, die darauf projiziert werden, „Egoismus“ und „Marxismus“ ebenso einschließend wie „Islamismus“.
Sartres zwölf Handlungsträger werden im Deutschen Theater Berlin von nur sechs Schauspielern dargestellt, wobei Bernd Moss durch raschen Masken- und Kostümwechsel alleine schon drei Rollen und Moritz Grove ebenfalls zwei sehr unterschiedliche Typen verkörpert. In Pauline Hüners’ wirkungsvollen Kostümen begegnen dem Zuschauer dabei durchweg heutige Personen. Überbordend an Spielfreude und Ausdrucksbreite charakterisiert Ulrich Matthes den Parteiführer Hoederer als einen charismatischen Realpolitiker, dem alle Sympathien gehören. Maren Eggert ist die in den jungen Hugo verliebte Bombenwerferin Olga.
Die Lust der Eheleute am permanenten Rollenspiel im Spiel kulminiert bei Katharina Marie Schubert als einer in vielfältigen Spielmustern hinreißend operierenden Ehefrau Jessica. Ole Lagerpusch zeichnet ihren Mann Hugo als einen politischen Kaspar und Irrwisch, der sich Hals über Kopf in Hoederer verliebt.
Nach knapp zweieinhalbstündiger, pausenlos dichter Aktion, gab es am Ende der dritten, ausverkauften Aufführung einen aufgeheizten Publikumsjubel mit Bravorufen, wie man es sonst wohl eher in der Oper erlebt.