Götterdämmerung im Frankfurt, Oper

Siegfried steigt in die Badewanne

In Oscar Straus’ parodistischer Operette Die lustigen Nibelungen singt Siegfried im 3. Akt das Liedchen, „Ich hab’ en Bad genommen, unmittelbar nach Tisch“; zuvor ist er in eine Badewanne getaucht, voll mit Drachenblut. Auch in Vera Nemirovas Frankfurter Inszenierung der Götterdämmerung steigt Siegfried in eine Zinkbadewanne, bevor er Brünnhilde verlässt, und die empfängt ihre Schwester Waltraute mit Kaffee und Südfrüchten. Vieles in diesem Abschlussteil des Ring des Nibelungen, rechtzeitig fertig gestellt vor dem Beginn des großen Wagner-Jahres 2013, ist durchaus parodistisch angelegt. Etwa wenn die Rheintöchter als Protestgruppe in einem Schlauchboot auftreten, mit dem dann Siegfried, mit seinem Schwert als Paddelersatz, zu den Gibichungen rudert. Deren Thronsaal ist eine lange Bar-Theke, die sich ins Rund der konzentrisch und in unterschiedlicher Bühnenhöhe fahrenden Kreise des Bühnenbildners Jens Kilian fügt. Hagen ist der Barkeeper, und Gutrune kommt vom Joggen, bevor sie sich Siegfried, mit gespreizten Schenkeln, auf dem Tresen liegend, offeriert. Sie führt als neues optisches Leitmotiv ins Wagnersche Kompendium der tönenden und der sichtbaren Leitmotive ihren Lippenstift ein. Den nimmt Siegfried, im grauen Anzug zu Gunter transformiert, mit zu Brünnhilde, der er vor der Brautnacht die Lippen rot schminkt. Und die Wotanstochter wird mit eben diesem Lippenstift ein rotes Kreuz auf Siegfried Hemd malen, um dem (offenbar etwasbegriffsstutzigen?) Hagen optisch klar zu machen, wo sich Siegfrieds Rücken befindet. Auch dies ist ein Handlungszug der Parodie und kommt ähnlich, mit einem aufgestickten, übergroßen Lindenblatt, bereits bei Oscar Straus vor. Fragwürdiges – Brünnhilde besiegt mit Hagens Speer die Gewehre von Gunthers Schutzstaffel – steht neben Plattitüden – Agit-Prop-Transparent der Rheintöchter, „Rettet den Rhein“ und die in einer Plastiktüte für die zumeist barfüßige Brünnhilde mitgebrachten Brautschuhe. Eher originell ist es hingegen, wenn Brünnhilde die Brille Gunthers von Siegfrieds Augen reißt, um den „Blitz seines Auges“ durch die „Lügengestalt“ zu ersehen.
Neben viel Plattem gibt es auch zarte Momente, etwa Brünnhildes Weinen, wenn Waltraute ihr vom gebrochenen Vater berichtet. Und die oft überlesene Irreführung durch einen Alben, der Siegfried im dritten Akt ins Rheintal leitet („Ein Albe führte mich irr, dass ich die Fährte verlor“), wird in Frankfurt sehr schön ausgespielt: Alberich lässt ein übergezogenes Bärenfell fallen, das dann den Rheintöchtern und Siegfried reichlich Spielmomente gibt. Diese Spielästhetik schlägt nicht nur den Bogen zum Auftritt des Bären im ersten Aufzug des „Siegfried“, sondern auch zu jenem Fell, in welches Richard Wander(!) in Richard Wagners früher, unvollendeter Oper Männerlist größer als Frauenlist schlüpft, um den Wanderzirkus des Vaters nach dem Tod des „Kapitalbären“ zu retten, bis hin zum ersten Bühnenerfolg von Richard Wagners Sohn Siegfried, dem Bärenhäuter.
Wenig überzeugend gerät hingegen der Schluss der Götterdämmerung. Zunächst werden die Sehnerve der Zuschauer durch eine gleißende Blendung irritiert. Jene mickrigen Lämpchen, die als Rund anstelle des in der Walküre und im Siegfried aufgefahrenen, veritablen Feuerzaubers in einer ringförmigen Pfanne einsam um Brünnhildes Kaffeetisch flackerten, werden nun vom Volk im Rund um das zentrale Versenkungsloch mit der Leiche Siegfrieds apportiert, während Brünnhilde ihren Schlussgesang an der Rampe zum Besten gibt. Wie schon im Rheingold quetschen sich die Götter in die linke Proszeniumsloge. Alberich (Jochen Schmeckenbecher), schmettert – vor der ersten Publikumsreihe, im Goldanzug und mit erhobener Faust – das „Zurück vom Ring!“ den Göttern zu, während Hagen, welcher der Partitur gemäß diesen letzten Satz zu singen hat, bereits mit den anderen Protagonisten und Komparsen des „Ring“ auf der Scheibe Aufstellung zum Schlussapplaus genommen hat.
Die Hornsoli des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters hatten einen schlechten Tag. Die Abschlüsse des Orchesters gerieten nicht immer zusammen, aber Dirigent Sebastian Weigle reihte die klanglichen Höhepunkte und gab auch jenen vom Komponisten bewusst gesetzten Tiefpunkten (wie etwa der von Karl Böhm in Bayreuth gestrichenen Gutrunen-Szene nach dem Trauermarsch) beachtliches Profil. Lance Ryan als Siegfried meistert die oft weggedrückten Spitzentöne des nach der Rheinfahrt zum Gesellschaftsunterhalter abgestumpften Naturburschen, allerdings ist seine Stimme eher quäkig und – im Gegensatz zum historisierenden Outfit mit Flügelhelm – wenig heldentenoral. Gregory Frank als Hagen ist sein wenig finsterer Widerpart, während Johannes Martin Kränzle als hier überlebender Gunther die Rolle des Königs als der eines schwachen, aber mitleidenden Freundes stimmlich enorm aufwertet. Anja Fidelia Ulrich als Gutrune sorgt für runden Wohlklang, wohingegen Susan Bullock die Partie der Brünnhilde häufig schwach in der Stimmgebung und in den dramatischen Passagen mit unangenehmer Sekundschleuder umsetzt. Trotz eines Schmisses gefielen die Rheintöchter, Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt und Katharina Magiera. Stimmlich wurden sie überboten von den drei Nornen Meredith Arwady, Claudia Mahnke (beachtlich auch als Waltraute) und Angel Blue.
Der Publikumsjubel in der restlos ausverkauften Oper Frankfurt war bei der zweiten Aufführung groß und uneingeschränkt.