Voice over im Theater Osnabrück

Krieg zwischen Amazonen und Hyänen

Nanine Linning begeistert ihr Osnabrücker Publikum auch mit ihrer letzten Choreografie vor dem Wechsel nach Heidelberg. Die faszinierend originelle, akrobatisch animalische Körpersprache der Niederländerin bleibt immer nah an ihren zeitnahen, klar formulierten Themen – diesmal Voice over, meinend Tonspur über Tonspur. In seiner Originalkomposition für das ungemein dynamische, konzise 75-minütige Tanzstück überlagert Michiel Jansen etwa Sphärenklänge mit Cellokantilenen, ein sanftes Perpetuum mobile von Windmaschine und Summchören mit Glockenschlägen.

Auf der schummerig dunklen Bühne spielt sich ein düsteres, brutales Szenario ab als permanenter Kampf von oben und unten, schnell und schneller, brutal und brutaler – Mann gegen Frau, Mensch gegen Meute. Die sechs Tänzer und vier Tänzerinnen vergegenwärtigen in den kurzen Szenen heutige Lebensart - „immer schneller, billiger, mehr“. Dieses System, so meint Linning, habe zu den globalen Krisen in allen Lebensbereichen geführt.

Das deprimierende Konterfei unserer Welt bis zum „geht nicht mehr“ beginnt auf der leeren Bühne unter einem Scheinwerfer, wo eine Amazone ihrer Gegner harrt. Die klettern in schwarzen Spitzen-Ganzkörpertrikots und mit Fechtermasken lautlos von hinten über die Parkettreihen und über die verdutzten Zuschauer. Bis sie sich dem Kampf mit der Amazone stellen, die mit erschreckender Wucht und Brutalität die fabulösen Kontrahenten niederschlägt. In einer späteren Szene dreht sich das Verhältnis um: zwei Frauen in lichten langen Kleidern aalen, duschen, recken sich unter einem Lichtstrahl wie Susanna im Bade. Von der finsteren Meute werden sie bedrängt, umzingelt, vergewaltigt. Irgendwann steht eine reglos nackt unter dem Strahl. Andere werden sichtbar im Raum – halbnackt, jeder für sich. Alle scheinen sich rein waschen zu wollen. Friedlich endet die Hetzjagd der wilden Hyänen. Wie lange wird die Harmonie über die Gier triumphieren?