Kiss me, Kate im Staatsoperette Dresden

Leben im Theater - Theater im Leben

Theater auf dem Theater, Spiel im Spiel – es macht immer einen besonderen Reiz auf der Bühne aus, wenn Kunst und (gespieltes) echtes Leben so dicht und unvermittelt aufeinanderprallen. Wenn Petruchio in Der Widerspenstigen Zähmung seine kratzbürstige Katharina übers Knie legt, dann täte er dies am liebsten auch direkt nach der Vorstellung in der Künstlergarderobe, dann aber als Fred Graham, der Theaterchef, der mit der divenhaften Lilli Vanessi so seine Schwierigkeiten hat. Hier in eine witzig-heitere Rolle schlüpfen, dort den Ernst des turbulenten Privatlebens bewältigen – genau darum geht es in Cole Porters Kiss me, Kate, einem der wohl erfolgreichsten Broadway-Musicals aller Zeiten. In der Staatsoperette Dresden steht der Klassiker nach fünfzehn Jahren nun wieder auf dem Spielplan, Regisseur Holger Hauer hat inszeniert. Und es ist schwer vorstellbar, dass seine Produktion nicht zu einem echten Kassenschlager des ambitionierten Hauses im Dresdener Stadtteil Leuben werden wird. Der Publikumsjubel nach der Premiere jedenfalls war riesengroß.

Dabei macht Holger Hauer eigentlich gar nichts Spektakuläres, er verlässt sich voll und ganz auf den Elan des Librettos – und natürlich auf Cole Porters unglaublich ansteckende, ja duftige Musik. Das Bühnenbild von Christoph Weyers zitiert das Shakespearesche Globe Theatre, auf dessen Brettern geschachert, geflirtet und geheiratet wird. Im Nu verwandelt sich das Ganze in zwei Künstlerzimmer. In denen wird dann gezankt, gedroht, aber auch in Erinnerungen geschwelgt. „Wunderbar, wunderbar“ – diesen Operetten-Walzer hat jeder im Ohr. Genau so wie all die anderen unsterblichen Melodien wie „Wo ist die liebestolle Zeit“, „Küss mich doch“ und vor allem „Schlag nach bei Shakespeare“! Porter zeigt sich als fantasievoller Musik-Erfinder, spaziert er doch durch ganz unterschiedliche Stile hindurch. Und genau das richtige Feeling für die stets changierende Art der Musik besitzt das Orchester der Staatsoperette Dresden. Peter Christian Feigel, seit November 2012 Zweiter Kapellmeister am Haus, dirigiert. Auf dem Pult liegt nicht die heute am häufigsten gespielte Orchestration von Don Sebesky von 1999 – sondern die originale Version, die Robert Russell Bennett für die Uraufführung 1948 geschrieben hat. Sie setzt auf einen großen Orchesterapparat, in dem neben den Musical-typischen Holz- und Blechbläsern, neben Streichern und Schlagwerk auch ein Klavier, eine Harfe, Celesta und Gitarre vorgesehen sind. Ein Instrumentarium also, das ein breit gefächertes Farbenspektrum möglich macht und auch ganz andere dynamische Wirkungen erlaubt als die Fassung von Don Sebesky, der die Zahl der ausübenden Musiker quasi auf Jazz-Combo-Größe reduziert.

Ganz fabelhaft wird in der Staatsoperette gesungen! Und das ist der dritte große Pluspunkt dieser Kiss me, Kate. Von den Hauptrollen bis hin zur kleinsten Nebenrolle – da stimmt alles, da gibt es keinerlei Ausfälle. Elke Kottmair als zickige Lilli Vanessi/Katharina schafft den Spagat zwischen quäkender Göre, gefühlvoller Liebhaberin und wilder Furie; Gerd Wiemer ist der eitle Theaterdirektor Fred Graham, der hinter Ann Lane her ist (herrlich: Olivia Delauré). Bryan Rothfuss lässt als unheilbar spielsüchtiger Bill Calhoun seinen ausdrucksstarken Bariton strömen; Herbert G. Adami gibt dem Baptista, der seine beiden Töchter unter die Haube bringen will, markantes Profil. Und außerdem sind da noch die zwei Ganoven, denen es um ein hübsches Sümmchen Bargeld geht. Dietrich Seydlitz und Elmar Andree wirken wie Pat und Patachon – herrlich trocken, herrlich komisch!

Der tolle Erfolg dieser Kiss me, Kate geht nicht zuletzt aufs Konto der Ballett-Compagnie. Christopher Tölle hat Choreographien von überbordendem Temperament entwickelt. Das sprüht, das glüht, das funkelt! Thomas Runge zeichnet verantwortlich für den Chor, der Shakespeares Globe Theatre bevölkert. Und dieses Theater der Widerspenstigen, Eitlen, Zickigen – es lebt!