Gustav Klimt - das Musical im Künstlerhaus Wien

Eine liebevolle Biografie

Wien im Klimt-Rausch: zum 150. Geburtstag von Österreichs populärstem Maler Gustav Klimt (1862-1918) bieten Souvenirläden Papierservietten, Porzellanfingerhüte, Taschenschirme, Aschenbecher, Schlüsselanhänger etc. mit dem Kuss, dekorativen Details aus seinen Landschaften, Frauenporträts und dem Beethoven-Fries feil. Schloss Belvedere zeigt die Originale aus seiner Sammlung österreichischer Malerei. Selbst die Volksoper zollt ihm Tribut: im dritten Akt von Oscar Straus‘ Ein Walzertraum tritt Prinzessin Helene mit eleganter Hochsteckfrisur im beigen Plisseekleid wie Klimts Schwägerin Helene Flöge auf. Und im Künstlerhaus, wo der umstrittene und hochverehrte Mitgründer der Wiener Secession vom Unterrichtsministerium als „pornografisch“ viermal für eine Professur abgelehnt worden war, steht der charismatische Frauenheld in all seinen ambivalenten Facetten als Musicalheld auf einer improvisierten Bühne. Das ist der denkbar schönste Rahmen für diese musikalische Biografie. Eine Ausstellung mit Kopien seiner bekanntesten Gemälde stimmt im Pausenfoyer – wo „Klimt-Champagner“ aus zierlichen Klimt-Kelchen kredenzt und im Klimt-Karton zum Kauf angeboten wird - auf die Show ein.

Kein Musical für Massen ist es, vielmehr das liebevoll und seriös nacherzählte Künstlerleben zwischen romantischer und dekorativer Jugendstil-Kunst. 2009 bei den Festspielen Gutenstein in Niederösterreich uraufgeführt, war es das erste von bislang drei Musicals des Produzenten Niki Neuspiel. Auch für Tutanchamun und Egon Schiele verpflichtete er sein bewährtes Librettisten-Team und den Komponisten Gerald Gratzer. Der Wiener Schlagzeuger, Komponist und Arrangeur von Jazz, Pop und E-Musik kennt sich bestens aus. Mit großem Geschick umgeht er die Klippen der Kopie des Lloyd-Webber-Sounds. Er überrascht mit durchaus originellen Klängen und Rhythmen in kleinster Besetzung. Kitsch, zu dem Klimts Kunst durchaus verführen könnte, hält Gratzer, selbst eifrigst am Schlagzeug, gekonnt in Schach. Seine Songs gehen ins Ohr. Das Liebesduett Klimts mit der Liebe seines Lebens und Muse Emilie Flöge Nur bei dir, Emilies bittersüße Frage Wie kann denn Gift so süß sein?, das Duett mit ihrer verwitweten Schwester Helene (Regina Mallinger) Nur bei dir und das anrührende Lied der kleinen Mizzi (Anna Carina Buchegger) Wie ein Schatten im Nebel, Mutter einiger seiner angeblich mindestens 14 unehelichen Kinder, zählen zu den Höhepunkten.

„Wer über mich etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten“, hat sich Klimt gewünscht. Aber die golden funkelnden Mosaikmuster und erotischen Frauengestalten geben nicht wirklich viel preis vom Innenleben des ehrgeizigen Lebenskünstlers. Wohl aber betören und berauschen Buntheit und Sinnlichkeit fern aller sexgeilen, sensationslüsternen Überzeichnung. Und der Ausspruch ist das Stichwort für seine wirkliche Liebe, die Kunst, greifbar durch den Genius, der ihn umgarnt und eifersüchtig immer wieder um ihn kämpft. Linda Geider, die international erfolgreiche Musicaldarstellerin u.a. als Stefanie in der Düsseldorfer Produktion von Saturday Night Fever, tanzt und singt sich als schlangengleicher Genius im hautengen Ganzkörpertrikot zum Publikumsliebling. Auch das übrige Ensemble begeistert durch natürliche Ausstrahlung, Spielfreude und schönste Stimmen. André Bauer zieht alle Register vom Charmeur bis zum trotzigen, glücklichen und tragischen Titelhelden. Eine der raffiniertesten Szenen: nach der Zuerkennung der Goldmedaille bei der Pariser Weltausstellung 1898 für seine Philosophie (für die Wiener Universitätsaula, aber von den Professoren als abartig abgelehnt) steigt er übermütig beschwingt auf den Eiffelturm, wo auch schon sein Genius durch die Metallkonstruktion, ergänzt durch Projektionen, klettert (Oben, ganz oben). Sabine Neibersch – wie die meisten Solisten auch schon bei der Uraufführung dabei – ist die hinreißende, emanzipierte, angeblich lesbische und Klimt doch zutiefst liebende Emilie Flöge.

Bei allem Ernst, bis hin zu Klimts Tod nach einem Schlaganfall, kommt immer wieder auch der Humor nicht zu kurz. Köstlich vor allem Bettina Soriat als Fabrikantengattin Serena Lederer, eine der Verehrerinnen aus der High Society, die danach lechzten, von Klimt porträtiert zu werden – und sei’s nur andeutungsweise auf einem seiner Gemälde.     

Eine Augenweide sind die authentischen Kostüme, effizient und frappant die Szene aus mobilen Paneelen und Videoprojektionen. Ein intelligentes, unterhaltsames Seh- und Hörvergnügen ist somit dieses etwas andere Musical.