Kein Zickenkrieg in der Alten Oper Frankfurt
Eine handfeste Auseinandersetzung wie zwischen den beiden Protagonistinnen anlässlich einer Uraufführungs-Probe 1834 gab es in Frankfurt glücklicherweise nicht; kein Zickenkrieg also. Im Gegenteil, das Haus kann sich glücklich schätzen, unter ihrem Dach ein Ensemble zu vereinen, welches fast ohne fremde Kräfte und als komplettes Rollendebüt eine so hochrangige Aufführung von Donizettis Maria Stuarda stemmen kann.
Das Werk hat eine problematische Entstehungsgeschichte hinter sich, die Zensur forderte kurz vor der Uraufführung ein geändertes Libretto, die „zweite“ Premiere fiel beim Publikum durch, eine dritte Fassung erlebte – trotz der berühmte Namen Malibran und Puzzi-Toso – damals ein stimmliches Debakel; Ende war nach nur sieben Aufführungen. Die Oper verschwand in der Versenkung und wurde erst 1958 in Bergamo wieder ans Opernlicht geholt. Auch heutzutage halten sich die szenischen Aufführungen in Grenzen, da die Handlung überwiegend aus dem Text langer Arien und Dialoge resultiert; eine Inszenierung gerät damit schnell zur „Stehparty“. Und da eine gelungene konzertante Aufführung weitaus mehr erfreut als eine Bühnenfassung, bei der man lieber die Augen schließt, ist die Entscheidung der Intendanz zur Kooperation mit der Alten Oper, Frankfurts „guter Stube“, sehr zu begrüßen.
Der Konflikt der beiden Königinnen um die Macht und um Roberto, den Grafen von Leicester, ist das zentrale Thema der Oper, Höhepunkt die Aussprache der Rivalinnen. Und so gab es die Möglichkeit, zwei hervorragende Sopranistinnen im direkten Vergleich zu hören. Fazit: zwei erste Plätze. Die Amerikanerin Brenda Rae als Maria, mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, begeisterte auf der ganzen Linie: zarteste Piani auch in den Spitzentönen, perlende Linien, glutvolle Bögen, aber auch energisch im Streit mit Elisabetta; ihr schlanker Sopran vermochte die Zerrissenheit, den Stolz, Hass und Liebe, aber auch den eigenen inneren Frieden mit ihrer Schwester, von der sie aufs Schafott geschickt worden war, eindringlich darzustellen. Die Südafrikanerin Elza van den Heever stand ihr in nichts nach. Ein traumhaft sicherer dramatischer Sopran, in Ausdruck und Gestus ganz die herrische Königin, dennoch mit wunderbar lyrischen, farbenreichen Passagen, zerrissen zwischen Liebe und politischem Kalkül. Erfreulicherweise war auf ausladende Schauspielerei auf dem Podium verzichtet worden, man durfte sich ganz der Musik widmen.
Der mexikanische Tenor David Lomelí, einziger Gastsänger des Abends, soll „einer der wichtigsten Hoffnungsträger im Belcanto-Fach sein“ - so im hervorragenden Programmheft der Dramaturgin Agnes Eggers nachzulesen, welche auch die Einführung sehr kompetent gestaltet hatte; ihr sei an dieser Stelle eine etwas prägnantere Sprechweise empfohlen. Lomelí konnte an diesem Abend die Vorschusslorbeeren nicht wirklich ernten. Er besitzt zwar einen durchaus angenehmen, höhensicheren Tenor, sang aber vielfach gepresst, angestrengt und mit unsauberer Intonation; als lockerer Belcanto-Interpret für schnelle knifflige Passagen empfahl er sich zumindest an diesem Abend nicht. Vor allem war er unzureichend vorbereitet, er hob kaum einmal den Blick von den Noten, der italienische Gastdirigent Pier Giorgio Morandi hatte ständig richtig viel Arbeit mit seinen Einsätzen. Darunter litt dann auch das eigentlich opulent und klangschön, manchmal ein wenig laut aufspielende Orchester durch etliche kleine Mängel in Koordination und Zusammenspiel.
Dafür erfreute der junge Südkoreaner Khiwan Sim als Talbot um so mehr, frisch aus dem Opernstudio ins Ensemble gewechselt, der mit seinem voluminösen, wohlklingenden Bass regelrecht aufhorchen ließ. Die übrigen Rollen (Nina Tandarek und Simon Bailey) waren typengerecht und sängerisch erfreulich gut besetzt. Der Opernchor (Einstudierung Matthias Köhler) zeigte wieder einmal seine große Klasse, nicht nur in der vollen Dynamik, sondern vor allem im Piano.