Kopfbilder
Es sind Körperbilder von Kindheitserinnerungen, Traum- und Alptraumvisionen und schließlich, nach einer reichlichen Stunde, ein pathetischer Abgang zu Rachmaninoffs Prélude cis-Moll. Der Taiwanese Shang-Chi Sun, zu Gast in Osnabrück, lässt den fünf Tänzerinnen und fünf Tänzern viel Freiraum, eigene Bilder zu finden, arrangiert sie dann in Soli, Duetten und Dreiergruppen. Schöne Tableaus entstehen. Nur ein paar einfache weiße Möbel - ein quadratischer Holztisch und sechs Stühle - stehen wahllos im leeren Raum. Man räkelt oder knüllt sich darauf oder drunter, hängt die Lehnen einem auf die Arme, schleift ein Sitzmöbel zwischen den Fußspitzen mit sich durch den düsteren Raum. Da ist auch viel bedeutungsschwangeres Staksen im Kreis auf megahohen Pumps und Stilettos - Suns eigene Erinnerung an die Mutter.
Aus dem Off kratzt einer auf dem Cello, vollführt Springbögen, streicht ein zartes Flageolett. Klang und Bewegung gehen Allianzen ein. Augen und Ohren der Zuschauer werden ständig gereizt. Das Besondere an dieser düsteren Choreografie mit viel Bewegung in traumatischer slow motion ist das artistische Raffinement der Formationen vor allem in den Zweier- oder Dreiergruppen. Im letzten Duett wird's etwas konkreter: ein Paar nimmt Abschied, strebt aus dem Raum heraus. Den lebhaften Premierenapplaus hatten sich die sympathischen Artisten redlich verdient.