Die Logik von Krieg und Knarren
„Technik, die begeistert!“ – ein sonniger, ein euphemistischer Werbeslogan für eine todbringende Ware, für Waffen aller Art nämlich. Und diese begeisternde, in alle möglichen und unmöglichen Winkel unserer Welt verkaufte Technik kam und kommt gern aus Deutschland. Ganz egal, wer damals in Bonn regiert hat oder heute in Berlin regiert. Dieser Slogan und noch etliche mehr finden sich auch als Video-Projektionen in Florian Lutz’ Inszenierung von Manfred Gurlitts Soldaten. Sie zeigen Bilder von grinsenden Kindersoldaten, kaputtgebombten Häusern, abgeschlachteten Menschen, Coca Cola-Reklame, staatstragenden Politikern. Eine von diesen steht sogar lebendig auf der Opernbühne: Ursula von der Leyen, unsere „Flintenuschi“ nebst ihren sieben kleinen „von der Leyens“ im karierten Schlafanzug vor einem Weihnachtsbaum. Wie herzig!
Florian Lutz holt Gurlitts Oper von 1930 in unsere Jetzt-Zeit. Völlig schlüssig, denn die Logik von Krieg und Knarren, sadistischen Soldaten und renditegeilen Waffenhändlern ist ungebrochen. Und im Krieg wird damals wie heute gemordet, vergewaltigt, gefoltert. All dies wird in den Soldaten erfahrbar, Lutz spitzt die Handlung sogar noch zu, indem er den Herr Wesener, Vater der Hauptfigur Marie, als Muslim anlegt – der ganz zum Schluss gar noch die Weihen eines Staatsoberhauptes erhält. Und mehr noch: Waterboarding wird gezeigt, Elektroschocks à la Abu Ghraib auch – vielleicht ein wenig zu viel des Schlechten. Von der Leyen ist hier übrigens die Mutter eines jener Liebhaber, dem sie diese Liebe um der Familienehre halber ausreden will.
Und mittendrin eben Marie, die ihrem (in diesem Fall wohl auch kulturell muslimischem) Umfeld entfliehen will und genau das Gegenteil erreicht. Welchem Lover auch immer sie begegnet: sie wird benutzt, gedemütigt, landet schließlich in der Gosse. Daran lässt Lutz’ Inszenierung keinen Zweifel.
Manfred Gurlitt, 1890 in Berlin geboren, ist irgendwie eine tragische Gestalt in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. 1937 wird er als „jüdischer Mischling 2. Ordnung“ abgestempelt, emigriert 1939 nach Japan (seine Frau stammt von dort), kann aber nach Ende des 2. Weltkriegs in Deutschland nicht mehr Fuß fassen. Sein Oeuvre wird hier vergessen. Zumal Bernd Alois Zimmermann 35 Jahre später denselben Stoff von Jakob Michael Reinhold Lenz vertont (Die Soldaten) und damit ungleich größere Aufmerksamkeit erzielt. Gurlitts Wozzeck kommt dagegen nicht später, sondern etwas früher als Alban Bergs gleichnamige Oper. Doch auch hier dasselbe: Gurlitt gerät zurück in die zweite Reihe.
Um so schöner, dass das Osnabrücker Theater Gurlitts Soldaten auf die Bühne gebracht hat. Musikalisch ist das Werk auf jeden Fall lohnenswert, im Grunde romantisch geprägt, aber gewürzt mit allerlei zusätzlichem Kolorit. Generalmusikdirektor Andreas Hotz bringt diese Farben zum Leuchten, schafft Spannung im Graben und auf der Bühne, die Florian Lutz und sein Ausstatter Sebastian Hannak virtuos bespielen. Einprägsame, nachdenkliche Bilder sind da zu erleben. Und für sowohl anrührende als auch aufrüttelnde Momente sorgt das ausgezeichnet aufgelegte Solistenensemble, Opernchor und Extrachor und das Osnabrücker Symphonieorchester. Eine wichtige Inszenierung!