Die schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper im Schauspiel Zürich

Die Oper - ein Wartesaal des Todes

Es gibt sie noch, die Theater-Zauberer, die aus vermeintlich banalsten Szenen mitreißendes Theater kitzeln. Alvis Hermanis, der noch 2014 mit seinem Kaspar Hauser-Projekt zum Berliner Theatertreffen geladen war, ist ein solcher Magier. Mit den Schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper - die er, verfugt mit mitreißenden Spiel-Szenen und einem grandios agierenden Darsteller-Sextett, in ein Altersheim verlegte – erzielte er einen kleinen Triumph am Zürcher Schauspielhaus.

Die Szene ist beeindruckend, verheißt aber nichts Gutes. Hell ausgeleuchtet ist die breit angelegte Bühne. Vor einer leicht vergammelten Glaswand mit zwei Flügeltüren stehen Stühle, ein Tisch, Rollstühle, ein Plattenspieler. Eine zweite identische Wand schließt den Raum nach hinten hin ab. Zwischen beiden ein schmaler Raum mit Krankenbett, eine Art Klinik-Wintergarten.

Hier sind Gefühle, entgegen allen Erwartungen, freilich ganz und gar nicht gealtert. Im Gegenteil: Was die schlurfenden und zittrigen uralten Bewohner angeht, zeigt sich ihre Würde in ihrer immer noch äußerst lebendigen Neigung zur Musik. Zur Oper und vor allem zu deren Liebes-, Schmerz- und Sterbe-Szenen. Dass und vor allem wie sie in immer wieder neuen kleinen Intermezzi Situationen der Liebe und des Verzichtes ihrer Lieblingsopern szenisch lebendig werden lassen, ist ein kleines Wunder der Schauspiel-Kunst.

Grauweiß ist die Dame, schlohweiß ihr gepflegtes Haar. Mühsam schlurft sie in die Szene. Ungelenk sucht sie eine Langspielplatte aus, wischt sie an ihrem Rock ab, legt sie auf. Verzückt lauscht sie - der Todes-Arie aus La Traviata. Neugierig schlurfen zwei weitere Frauen herein, hellhörig zeigen sich auch drei alte Männer. Alle sind, selbst nahe dem Tode, tief in der Welt der Oper, ihrer Liebesdramen, Tragödien und Sterbe-Szenen gefangen. Da ruft Tosca nach ihrem Mario - und ein Paar versetzt Puccini in die Welt seines eigenen, sich dem Ende zuneigenden Lebens. „Gib dich mir hin!“, spielt es verzückt die Opernszene nach und versetzt sich in die eigene Vergangenheit. Die Musik begleitet sie, und dabei blüht soviel Charme und Würde auf, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.

Was kitschig, was gefühlig, was gar peinlich werden könnte, wird spielerisch hinweggefegt. „Na, wie bin ich denn heute gestorben?“ Fragen wie diese nach hinreißend gespielten Mord- und Todes-Szenen, dazu „Bravo“-Rufe fürs pantomimisch professionelle Sterben sorgen für Situationen komischster Menschlichkeit. Und wenn das Sextett Camille Saint-Säens sterbenden „Schwan“ in einer ebenso anrührenden wie mitreißenden Pantomime aufblühen lässt, haben Kunst und Lebensfreude endgültig gesiegt - über Leiden, Schmerz und Tod. Im Leben wie in der Kunst.

Nach gut zwei Stunden wirkt Hermanis` zunächst befremdlich wirkende Interview-Äußerung im Vorfeld dieser Uraufführung („Die Oper ist ein Wartesaal für den Tod“) wie ein grandioser Trost - und erweist sich als Sieg für die Kunst.