„Spiel mal was anderes!“
Mit einem spielfreudigen bis spielwütigen Ensemble junger Darsteller hat Christopher Rüping hier herausgekitzelt, was das Filmdrehbuch von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov der enthüllungsreichen Geburtstagsfeier zum Sechzigsten des Familienvaters über die lineare Umsetzung als Film hinaus an spielerischen Momenten hergibt. Das beginnt im leeren Bühnenraum von Jonathan Mertz inmitten eines Sammelsuriums unterschiedlicher Tische und den von Lene Schwind grau gewandeten Schauspielern mit einer scheinbaren Abstimmung des Publikums, ob zunächst eine lustige oder eine ernste Rede vorgetragen werden solle. Die lustige Ansprache über die berühmten Vorfahren der Familie Klingenfeldt-Hansen, seit dem Ur-Dänen über die Entdeckung Amerikas bis zu einem politischen Selbstmordattentäter im Dritten Reich, wird auf, über und zwischen den verrückten Tischen slapstickartig zum Besten gegeben. Dann chiffrieren Anfangsbuchstaben auf dem vom Ensemble mit ihren Rollen reihum gewechselten Pullovern, welche Rolle von welchem der Darsteller – Maja Beckmann, Paul Grill, Pascal Houdus, Matti Krause, Svenja Liesau und Christian Schneeweiß – gerade verkörpert wird. Im bunten Großkonfettiregen des Festes enthüllt Sohn Christian lapidar die Hintergründe des Selbstmordes seiner Zwillingsschwester: der Vater hat die Zwillinge von Kindertagen an immer wieder vergewaltigt, und die Mutter wusste sogar davon. Dauerklavierspieler Norbert Waidosch begleitet das Geschehen zwischen Festtags- und Popmusik-Klängen am Flügel, höchstens mal abgelöst durch ein orchestrales Playback oder das Vogelstimmen-Gezwitscher des Ensembles. Dass er vorzeitig den hier ohnehin nicht eingesetzten Hauptvorhang zuziehen will, gestattet die Familie nicht. Nachdem sich der Enthüller des langjährigen sexuellen Missbrauchs in einer mit Wasser gefüllten Badewanne mit einer kontrapunktisch zur Fest-Musik von Christoph Hart herausgekotzten Carmen-Habanera als Kontrapunkt abreagiert hat, erfolgt die Hinrichtung des Vaters durch dessen Kinder – aber der behält am Ende doch das letzte, morgendliche Wort, während Christian seinen nackten Körper mit Fett einreibt und sich ein Kleid aus Konfetti anlegt. Dass Christian seine Jugendliebe Pia wiederfindet, ist ein versöhnlicher Schluss; aber da sie ihm gegenüber aber immer wieder den Namen der suiziden Schwester Linda annimmt, ergeben sich auch anderweitige inzestuöse Rückschlüsse.
Großer Publikumsjubel nach knapp zwei pausenlosen Stunden, von denen, die geblieben waren – und das war doch der Großteil des Publikums, an einem nicht bis zum letzten Platz besetzten Montagabend.