Die lächerliche Finsternis im Berliner Theatertreffen

Fortschreibung von Coppolas Film „Apocalypse Now“ – oder „Lasst uns nun Lied 157 singen“

Wie einstens in der legendären Schaubühne am Halleschen Ufer, das Publikum bei Bob Wilsons Death, Destruction and Detroit ganz nach Belieben Pausen einlegen konnte, so heißt es in der Wiener Produktion nun: „20 Minuten Pause, wenn Sie wollen“. Aber diese „Pause“, die als Countdown der Restminuten á la Nummergirls auf Zetteln angezeigt wird, gehört mit zum Faszinierendsten dieses Theaterabends, denn die kurz zuvor umgestürzte Palisadenrückwand aus ca. 4 Meter langen, einzelnen Holzbrettern, wird von den Darstellerinnen in eine Fräse befördert und zu Holzstaub zermahlen. Gemischt mit Wasserzerstäuber, entsteht so tatsächlich eine Urwald-Atmosphäre, unterlegt mit der Endlosschleife des zuvor intonierten, vierstimmigen a cappella-Gesanges „The Lion Sleeps Tonight“, angereichert mit Solos und mit Texten des Autors, etwa der durch den Kommentar seiner Mutter ausgelösten Erkenntnis, dass Lotz ein Drama ausschließlich für Männer geschrieben habe. Dem hat der Regisseur Dušan David Parízek entgegengewirkt, indem er die Rollen mit vier jungen Schauspielerinnen besetzt hat.

Diese verkörpern die freie Nach-Dramatisierung von Apolcalypse Now, gemischt mit Elementen aus Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis, mit überbordender Spielfreude. Dabei wird auch mit der Tatsache, dass hier Oliver Pellner, der Hauptfeldwebel der Bundeswehr, von einer Frau (Catrin Striebeck mit Schnauzbart und Pistolenbrusthalfter) dargestellt wird, ausgespielt: diesem Militaristen fehlt also, wie Kriegsamputierten und –Deformierten, über die berichtet wird, ebenfalls ein Glied... Stefanie Reinsperger verkörpert in einer Doppelrolle zunächst weiß, dann grob mit schwarzer Farbe eingeschmiert, zwei befreundete Eingeborene, die aus Seenot ein Schiff gekapert haben. Frida-Lovisa Hamann spielt einen jungen Ostdeutschen, der sich mangels beruflicher Perspektive für den Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr entschieden hat. Köstlich auch Dorothee Hartinger in sehr verschiedenen Sprechhaltungen, als italienischer Blauhelm, als sexistischer Missionar und als von den Herrschenden als Gefahr erachteter Pazifist. Am Ende wird rote Flüssigkeit auf eine der beiden zur Projektion eingesetzten Epidiaskop-Scheiben gegossen und die angestrahlte Darstellerin wird blutig .

Die Weiterschreibung von Coppolas Handlung, über den Hindukusch „in die Regenwälder Afghanistans“, ist dem jungen Autor gelungen. Beim Schlussapplaus musste er, gemeinsam mit dem Regisseur, auch einige Buhrufe einstecken, die jedoch untergingen im Jubel des Publikums über eine ungewöhnliche, rundweg fesselnde Aufführung mit großartigen schauspielerischen Leistungen.