Übrigens …

EINER, DER EINE LIEBE IM BAUCH HAT, MUSS NICHT... im Berliner Theatertreffen

Play Fassbinder

In der Maske von Rainer Werner Fassbinder lehnt Patrick Wengenroth vor einer Filmleinwand, aufgespannt in der durch Nebel künstlich zu einer Raucherkneipe verwandelten Bar im Rangfoyer des Hauses der Berliner Festspiele. In Zeitlupe wandert dort Hanna Schygulla an ihm vorbei. Weitere Sequenzen aus dem Film Katzelmacher zeigen den Regisseur mit seiner Muse als Darsteller-Paar in Zeitlupe.

Auf der Seite des Raumes rezitieren die Schauspieler, auf Barhockern sitzend, Dialoge der sadomasochistischen Beziehung zwischen Martha und Helmut Salomon aus dem Film Martha.

Dafür hat sich Wengenroth eine blonde Frauenperücke übergestülpt, die schlank hochgewachsene Lucy Wirth schlüpft in die Männerolle, fällt aber auch aus dieser heraus: „Kennst du einen emanzipierten Mann im deutschen Theater? Peymann, Castorf, Ostermaier....?“

Der weibliche Mann bringt dann als Martha die selbst gekochten, dem Gatten nicht schmeckenden Schweinenierchen in Burgunder – hier als künstlerisch gesetzter Bruch in Form als Weinglas.

Matze Klappe am Keyboard des Roland spielt die teils vorprogrammierte Klavierbegleitung zu dieser ausgewählten Szenenfolge, und wenn er selbst auf Englisch singt, übersetzt Wirth in den jeder Textzeile folgenden Gesangspausen den englischen Text ins Deutsche.

Musik spielte eine wichtige Rolle im Leben Rainer Werner Fassbinders, für den zu einem Sonntagmorgen nach Wunsch auch Bruckners Achte gehörte. Für seine Ehefrau, die Schauspielerin Ingrid Caven, schrieb Fassbinder auch einige Chanson-Texte (wie Alles aus Leder, Freitag im Hotel, Nietzsche, Die Straßen stinken). In einem weiteren Programm des „Focus Fassbinder“ beim Theatertreffen singt Hanna Schygulla Vertonungen von Lyrik des siebzehnjährigen Theatermachers. Welches der in diese Collage integrierten Fassbinder-Lieder in diesem Stück, das man nach dem Muster von Play Beckett auch Play Fassbinder nennen könnte, und welche Textzitate woher stammen, wird mangels eines eigenen Programmhefts allerdings nicht ersichtlich.

Vor der Leinwand, mit schwingend roter Lampe, beweist sich Lucy Wirth als beachtliche Interpretin im roten Kleidchen und kitzelt die dazu die Brustwarze der mit Fassbinder im Bett liegenden Schygulla. Wengenroth singt sogar noch unter einem Berg von Flokatis, welche die Wirth über ihn häuft um anschließend auf diesem Berg zu thronen. Die programmatische Ankündigung, „Am Schluss ist der Flokati getränkt mit Blut, Schweiß und bitteren Tränen“, wird allerdings so wenig eingelöst, wie die Ankündigung, die Handlung führe den Zuschauer in Fassbinders „Kopf/Herz/Bauch“ nur metaphorisch zu verstehen ist.

Gleichwohl viel Wiederhören, Wiedererkennen, Nachdenken, Mitgefühl und Zustimmung der Zuschauer im dicht besetzten Barraum – und manch auflockernder Witz: am besten der von Fassbinder selbst, wenn er im WDR-Fernsehen einen penetranten Reporter ad absurdum führt.