Übrigens …

Lesiones incompatibles con la vida im Berlin

Vagina, mit Steinen penetriert

In einer raschen Abfolge farbiger Bilder aus der häuslichen und öffentlichen Konsumgesellschaft, mit englischen Untertiteln, erfolgt in spanischer Originalsprache die Rezitation eines halbstündigen Protestgedichts von Angélica Liddell. Als Waffe der Rebellion gegen eine frauenfeindliche und patriarchalische Gesellschaft hat sie sich zur Kinderlosigkeit entschlossen. Es ist ihr Protest, auf dass nicht ihre Kinder rebellieren müssen, wenn sie sich dann die Konsumgüter nicht leisten können. Die Liddell hat sich ihre Füße in Quaderblöcke eingipsen lassen, ihr Kleid ist bis zur Brust hochgeschoben, die Schenkel weit gespreizt.

Ein identisches Foto, das sie als junges Mädchen mit ihren Eltern zeigt, findet sich als optischer Cantus firmus auf allen Konsumfotos. Den daraus vergrößert ausgeschnittenen Mädchenkopf hat sich die Performerin als Maske flach vor das Gesicht gerückt; ihre Deklamation läuft offenbar aus der Konserve, denn während der Text unerbittlich abschnurrt, benetzt sie sich die Hand unter der Maske immer wieder mit Spucke, um ihre Vagina anzufeuchten. In ihre Scheide führt sie in der Folge immer größere Steine ein, die sie mit einem weiteren Stein festklopft, aber kurz darauf, bisweilen pfurzend, wieder auswirft um diese Aktion aufs Neue zu beginnen. Dabei rückt sie mit ihren Fußquadern naturgemäß schwerfällig von der rechten zur linken Bühnenseite, damit jeder der auf Kissen und Bänken um sie gelagerten Zuschauer das Spektakel hautnah verfolgen kann. Ihre Proklamation der selbst gewählten Kinderlosigkeit als Revolte gegen die Gesellschaft, welche Frauen nur als Jungfrauen, Mütter oder Huren akzeptiert, endet mit einem Bild der erwachsenen Liddell vor einer Glitzer-Konsumwelt; dazu ertönt doppeldeutig Louis Armstrongs Song „What a wonderful world“. Am Ende des Spektakels werden Marker ausgegeben, mit denen die Besucher zwischen Angélica Liddells Schenkeln Botschaften auf die Gipsquader schreiben sollen. Von solcher Mitwirkung an dem performativen Kunstereignis wird nach betroffener Stille und heftigem Applaus rege Gebrauch gemacht.