Unschuld und keine Sühne
Die Last der Verantwortung liegt auf den Schultern von Major Lars Koch, Pilot eines Bundeswehr-Kampfjets. Koch entscheidet und sitzt alsdann vor Gericht: „Ihm wird zur Last gelegt (...) ein Passagierflugzeug (...), das sich auf dem Flug von Berlin nach München befand, abgeschossen (...) zu haben.“
Es sind die Kernfragen des menschlichen Miteinanders, die Star-Autor Ferdinand von Schirach, der eine juristische Vita im Bereich Strafrecht besitzt, in Terror auflistet: Töten, um Schlimmeres zu verhindern, denn der Linienflug ist von Terroristen gekapert? Das juristische Konstrukt, wie Terror im Klappentext des Programmhefts genannt wird, ist in der weiteren politischen Entwicklung nach dem 11. September zu sehen, die eine Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfte von „Freiheit“ zu Gunsten von „Sicherheit“ eingeleitet hat.
Alle sind angesprochen, so scheint der Text, der offensiv um die Beteiligung des Zuschauers buhlt, sich zu fragen, wie viel Wert er oder sie der bürgerlichen Freiheit in einer Demokratie beimessen. Terror ist kein Unterhaltungstext, obwohl die Reflexion zwischen den verschiedenen Ebenen - Verteidigung hier, Staatsanwaltschaft dort, Zeugen dazwischen (reihen sich in die kühle Atmosphäre subtil und unaufdringlich ein, Verteidigerin Biegler: Aylin Esener; Staatsanwältin Nelson: Franziska Machens; Zeuge Lauterbach: Helmut Mooshammer; Zeugin Meisner: Lisa Hrdina; Vorsitzende: Almut Zilcher) - überzeugt.
Dennoch kommt Terror am Ende mehr an eine Seminararbeit im vierten Jurasemester heran, als an einen Text, der den Zuschauer im Innersten berühren kann. Und das liegt nicht daran, dass die Kälte des fiktiven Gerichtssaals seine Widerspiegelung auf der Bühne findet: Die Macher am Deutschen Theater (Bühne: Thilo Reuther; Video: Daniel Hengst) setzen auf Beton, wenn argumentiert wird, und Visuals, wenn die Innenschau angesagt ist.
Vielleicht liegt es daran, dass der Held Major Koch (es brilliert als Zerrissener: Timo Weisschnur) zwar stellvertretend für die eigene Gewissensprüfung steht, die aber abstrakt bleibt. Die Konflikte des Helden überzeugen den Zuschauer, dem Koch allmählich ans Herz wächst: Sieht so ein Mörder aus? Sicher nicht!
Am Ende darf das Publikum entscheiden. Auch die Axel-Springer-Führungsriege in Reihe acht schien lieb und piep: unschuldig!